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A PERFECT CIRCLE

27.01.2004, GASOMETER (WIEN)
aperfectcircle / Zum Vergrößern auf das Bild klickenEs ist eine dunkle und stürmische Nacht...
Na gut, eigentlich ist es weder besonders dunkel noch besonders stürmisch, aber recht kühl wird das lange Warten vor den Toren des Gasometers dann doch. Doch das schreckt mich und meine charmante Begleitung keinesfalls ab, und schon bald befindet man sich inmitten einer Menge von Menschen, häufig gehüllt in T-Shirts mit obskuren Logos darauf, wie „TOOL“, „SMASHING PUMPKINS“, „TOOL“, „RAGE AGAINST THE MACHINE“ „TOOL“, und, zu guter Letzt, „TOOL“. Im Inneren des winzigen Vorraumes wandelt sich die allgemeine Konformität in soeben zu hohen Preisen erstandene „A PERFECT CIRCLE“ und vereinzelten „AUF DER MAUR“ Shirts um. So umgeben von wandelnden Werbeträgern begeben wir uns in das Innere der Blase, wo gerade MELISSA AUF DER MAUR das Haus rockt. Und ich meine ROCKT. Gut, eine schöne Frau mit einem großen Bass ist schon einmal ein guter Grund zumindest zuzuhören. Aber die Dame hat es auch geschafft, das Publikum zum Headbangen zu bringen und, na ja, bis zum Hüpf-Stadium ist es nicht gekommen, aber Schunkeln, Applaus und Begeisterungsschreie sprechen für sich. Und das, obwohl ihr Album noch gar nicht heraußen ist.

„We’ve certainly got an energy here. I appreciate that.” Sie freut und bedankt sich. Nach insgesamt 10 Nummern räumt sie die Bühne für A PERFECT CIRCLE. Damit die Spannung während der Umbauarbeiten nicht zu groß wird, wirft ein Bühnenarbeiter in regelmäßigen Abständen Plektren in die Menge, die er wohl aus einem eigens dafür vorgesehenen Topf hinter einem Verstärker hervorzaubert, denn die Menge an durch die Luft sirrenden  Picks ist wirklich beeindruckend.

Nach ungefähr einer halben Stunde Umbauarbeiten (Ich habe von meiner Ankunft um halb acht bis um nachher um halb zwölf nicht auf die Uhr gesehen) ist es endlich soweit: Die Band erscheint wie hingezaubert auf der Bühne. Das heißt, alle, bis auf Maynard James Keenan, der wohl geistig von TOOL nicht wegkommt: ein würfelförmiger Aufbau in der Mitte der Bühne, verhüllt mit einer Leinwand, darauf erscheint plötzlich ein Lichtkegel mit der Silhouette des Sängers, zusammen mit zwei Trommeln. Das erste Lied, „The Vanishing“, beginnt. „Ist das nicht zu leise?“ will meine charmante Begleitung wissen. „Das wird noch lauter“, so meine Belehrung. Tatsächlich: Ein großartiges Crescendo, und das Publikum ist gefangen. Die vereinzelten „TOOL!“-Rufe ersterben. Headband-lastig geht es gleich mit „Pet“ weiter, und irgendwann fällt dann der Vorhang, der uns die überwältigende Schönheit der Gesangsdiva vorenthält, an seiner Stelle erschwert nun ein rückseitig angebrachter Scheinwerfer die optische Kontaktaufnahme mit der Mitte der Bühne.

Der optische Eindruck des Line-Ups: Andy Warhol an der zweiten Gitarre, Quasimodo im kackbraunen Anzug am Bass, „It Came From Outer Space“ an der ersten Gitarre (gebt dem armen Menschen doch bitte was zu Essen, seine Augen verschwinden ja schon nach hinten), ein fast unsichtbarer Schlagzeuger und ein exzentrischer Gnom auf dem Podest in der Mitte, der durch komische Bewegungen verwirrt und mit geistreichen Ansagen unterhält. „Vienna.“ (Applaus) „A Perfect Circle.“ (Applaus) “Vienna.“ (Weniger Applaus) „A Perfect Circle.“ (Pause) “Nice to meet you.” Und weiter geht es mit “The Hollow”, was nur der Beginn einer angenehm ausbalancierten Setlist mit Komponenten aus beiden Alben ist. Danach kommen die übrigens wie das ganze Konzert einwandfrei abgemischten Songs „Magdalena“ und „Weak and Powerless“. Wieder eine Ansage: „This is a message from out sponsor. Satan.” Bin ich die Einzige, die lacht? Nun gut, auch der Rest wird zum Lachen gebracht, spätestens, als ein Lied über Hosen angekündigt wird. Hosen?

„Slacks. And pants.” Jeordie White wirft ein: „And bitches.“ Lachen vom Hauptmikrophon. „And bitches.“ Was folgt, ist ein ehemaliges Marilyn Manson-Bandmitglied, welches, sanft unterstützt von Schlagzeug und Gitarre, ein Lied mit folgendem Text vorträgt: “There`s a guy named Fred/and he`s got a pair of slacks/Ooooooh Fred`s got slacks/He wears em pretty tight/and he thinks they`re pretty nice/Ooooooooh Fred`s got slacks…” Die Darbietung lässt mich denken: Man nehme als Sänger Brian Molko, schlage ihm mit einem Bass ins Gesicht, bis es deformiert ist, und was bekommt man... Es folgen noch zwei Strophen über James’ trousers und… “Billy’s got bitches…” Dieser grinst nur. Als nächstes verspricht uns der Kapellmeister noch, dass sich das nächste Lied ohne (Unter)Hosen viel besser anfühlt. Also zieht eure Hosen aus, Leute, denn er denkt an euch:„Thinking Of You“.

Irgendwann zwischen den nächsten Nummern („Blue“, „The Rose“, „The Package“) stellen die Bandmitglieder einander vor. Ist das nicht süß? Man fühlt sich an kleine, unbekannte Bands erinnert, die in halbleeren Nachtclubs spielen. Billy Howerdel wird von dem lichtscheuen kleinen Mann in der Mitte (darum steht er ja auch vor einem riesigen Scheinwerfer) als „this way too tall guy“ vorgestellt. Der sympathische Typ am Bass natürlich mit „Jeordie White“, was vermutlich für die aufwändig auf „MANSON“-angezogenen Mädchen in der ersten Reihe keine schönen Worte sind. Aber spätestens jetzt ist klar, dass man nicht zehn Jahre lang eine Rolle spielen kann, um dann einfach plötzlich damit aufzuhören: man merkt, der scheußliche Anzug passt ihm zwar, aber nicht ZU ihm, einem Rockmusiker, der am liebsten ständig herumrennen und -hüpfen und -kugeln würde, ständig Grimassen schneidet und versucht, auch die Mitmusiker zu etwas mehr Bewegung zu animieren. Bitte, Mr. White, tragen Sie wieder Frauenkleider!

Ich glaube, es ist nach „3 Libras“, als es vom Hauptmikrophon plötzlich genuschelt kommt: „Whaddayawant?“ Überraschte Stille. „You want the mic, or just the micstand?“ Schließlich stellt sich heraus, dass James Iha uns etwas zu sagen hat. Nein, nicht zu Sagen, zu Singen! Er hebt ein dünnes Stimmchen, krächzt herzerweichend, bricht ab und räuspert sich. Nächster Versuch. Ein hübsches, kleines Lied, nur Stimme und Gitarre, und einer Menge Leute, die den Rhythmus klatschen.

Nachdem sich Maynard erfolgreich sein Mikro (Und den Mikroständer) wiederbeschafft hat, will er wissen, was das denn bitte war. James, mittlerweile mit einem eigenen Mikrophon ausgestattet, erklärt, „LOU REED“. Jeordie und Maynard witzeln, es klang wie Beatles. Ja, James ist eben ein Beatle. Eigentlich sollte es jetzt mit A PERFECT CIRLCE weitergehen, statt dessen gibt es jetzt eine deutlich düster-rockigere Version von „The Nurse Who Loved Me“ von FAILURE, die aber ohnehin auf dem neuen Album vorhanden ist, also kein Grund zur Beunruhigung. Nicht mehr Grund als sonst.

Viel eher beunruhigend wird es, als der Gnom auf dem Podest sich seines Hemdes entledigt und eine wunderschöne Skorpion-Tätowierung und einen weniger schönen, nicht gerade der Hunger-Gesellschaft entsprechenden Bauch enthüllt. A Propos Hunger: darum also sieht Billy so aus.

Es gibt wieder eine Pause, in die hinein ich mir mit aller Kraft ein Lied wünsche. „This is a song about forgiving.“ Wieder einmal kommt es mir so vor, als wäre ich der einzige Mensch, der ein Geräusch von sich gibt: “Thomas!” brülle ich entzückt, denn genau das war mein Wunsch. Nach dem Lied lässt der Mr. Keenan noch eine Hasstirade über das Downloaden von Alben aus dem Internet los und fügt hinzu, dass der folgende Song von dem Album Thirteenth Step, „das Album, das ihr euch sicher schon aus dem Netz gezogen habt!“, stammt und die nächste Single wird. Es ist „The Outsider“.

Jeordie ist mittlerweile frustriert wegen der mangelnden Kooperationsbereitschaft seiner Bandkollegen und versucht nun statt dessen, die Mädchen in der ersten Reihe zum Ausziehen zu überreden. Ohne Erfolg. Das nächste Lied, „The Noose“, wird mit einem begeisterten Applaus begrüßt, was zeigt, dass das wohl die bessere Wahl für eine Single gewesen wäre, was auch der Meinung meiner charmanten Begleitung entspräche. Ich wünsche mir zum X-ten mal, dieses Konzert möge nie aufhören, als Maynard beginnt, sich zu verabschieden. Ein paar Wasserflaschen und Drumsticks fliegen in die Menge, und kurz vor dem wirklichen Schluss geht es noch einmal so richtig ab mit dem herausstechensten Lied des ersten Albums: „Judith“. Jetzt wird mein Platz neben den zwei irren Hyperaktiven doch ein wenig ungemütlich, als aus zwei Störenfrieden doch noch ein richtiges Moshpit wird. Ich gehe hinter einem kleinen Mädchen in Deckung und genieße den Rest des Stücks, welches wirklich den Abschluss eines Konzertes markiert, wegen dessen Großartigkeit nachher meine Hände nicht zu zittern aufhören wollten.

Doch das Abenteuer ist noch nicht zu Ende, jedenfalls nicht für mich und meine charmante Begleitung, die wir uns später doch tatsächlich noch Aug’ in Aug’ mit Jeordie White und James Iha wiederfinden (inoffiziell). Meine charmante Begleitung quietscht „TWIGGY!!!“ und fällt fast ihn Ohnmacht. Dieser kommentiert unser Auftreten mit ein paar seltsamen Geräuschen, die wohl ein Anzeichen für diverse illegale Substanzen in seinem Kreislauf sind, signiert brav, grinst uns an und geht. Alles in allem ein gelungener Abend mit genialer musikalischer Darbietung und Unterhaltung für die ganze Familie. Also gut, streicht das mit der Familie.

Agnes Wieninger
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