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Comic-Review: From Hell (Cross Cult)

Die Zahl der künstlerischen Aufarbeitungen rund um den Mythos von Jack the Ripper ist Legion. Alan Moores Graphic Novel und Vorlage für den gleichnamigen Film ragt aus dem Berg an Veröffentlichungen meilenweit hervor.

from_hell_cover (c) Cross Cult / Zum Vergrößern auf das Bild klickenZum eigentlichen Thema muss nicht allzu viel gesagt werden. Nur an den wenigsten dürfte die Geschichte des Rippers vorbeigegangen sein. Noch immer ranken sich um die legendäre Mordserie unter fünf Prostituierten in Londoner Elendsvierteln im Jahre 1888 teils wildeste Theorien, noch immer ist die Identität des Täters nicht zweifelsfrei geklärt worden, wird vielleicht auch nie mehr geklärt werden. Eine Tatsache, welche der Faszination um Jack nicht gerade abträglich ist.

Ende der 1980er Jahre machte sich Alan Moore, spätestens seit dem aktuellen „Watchmen“-Hype auch dem Mainstream kein unbekannter mehr, daran, eine eigene Interpretation der Geschehnisse zu erschaffen. Wie von ihm nicht anders zu erwarten, wurde daraus ein mehrere Hundert Seiten umfassendes Magnum opus, das in seiner Gesamtheit als literarisches Meisterwerk bezeichnet werden muss. Vorausgegangen waren seiner Arbeit jahrelange Recherchen in den Untiefen der Flut an Veröffentlichungen zum Thema Jack the Ripper. Doch dem nicht genug - der Mann dürfte zusätzlich noch eine ganze Bibliothek mit Büchern über Kunstgeschichte, Architektur, Biographien bekannter historischer Personen und vieles mehr durchgegangen sein. So zahlreich an Facetten präsentiert sich „From Hell“ nämlich.

Ausgangspunkt für Moores Version ist Stephen Knights „Jack the Ripper: The Final Solution“ von 1976, in dem eine Verschwörung zwischen dem englischen Thron, der Freimaurerei und deren Mitgliedern in den Reihen der Polizei und dem Maler Walter Sickert postuliert wurde. Die Morde, so der Autor, seien Folgen eines Komplottes zur Verheimlichung des Verhältnisses zwischen dem Thronfolger Prinz Albert Victor und dem Arbeitermädchen Annie Elizabeth Crook. Obwohl Knights damals überaus populäre Version zwischenzeitlich als fehlerhaft und auf teilweise unseriösen Quellen beruht, gibt sie doch einen guten Stoff für eine Story ab. Conspiracy sells, sozusagen.

Im Gegensatz zur Verfilmung der Hughes-Brüder von 2001 verzichtet Moore auf Geheimniskrämerei rund um die Enthüllung des Rippers, sondern konfrontiert den Leser von Beginn an mit dessen Gesicht und Denkweise. Letztere offenbart sich vor allem in der zentralen Szene, die ein ganzes Kapitel in Anspruch nimmt, dem Mord an Mary Kelly: Getrieben von halluzinatorischen Visionen von der als seelenlos empfundenen Zukunft macht sich der Mörder daran, in einer an Ozymandias` aus "Watchmen" erinnernden pseudo-altruistischen Motivation heraus sein Werk als ausführende Hand einer höheren göttlichen Macht zu vollbringen, um sein Opfer von der zu erwartenden Qual zu erlösen und ein neues, schreckliches Jahrhundert einzuläuten. Dies alles auf Basis nicht nur freimaurerischer Rituale, sondern auch der Loge zugrunde liegenden mystisch-magischen Symbolik.

Moores Erzählung kommt als vielschichtige Erzählung daher, die sich in ihrer Darstellung verschiedenster, mit dem bloßen Kriminalfall verknüpfter menschlicher Schicksale bis an feinste Enden verästelt, aber trotzdem ein in sich gewachsenes Ganzes bildet. Eddie Campbells Schwarzweiß-Zeichnungen spiegeln denn auch gekonnt sowohl die hell strahlende Pracht des viktorianischen Londons als auch die dunkle Halbwelt seiner Elendsviertel wider, die düstere Grundstimmung wird durch den Verzicht auf jegliche Farbe am besten getroffen. „From Hell“ ist also vieles; aber sicher keine eindimensionale Wichsvorlage für Gewaltvoyeure und Pubertierende, die sich an der expliziten Darstellung krimineller und sexueller Handlungen ergötzen wollen. Das empfohlene Lesealter von 16+ ist nicht nur deshalb, sondern auch aufgrund der Komplexität der Handlung gerechtfertigt. Nichtsdestotrotz mit Garantie eine lohnende Investition. Für jene Leser, die etwas tiefer in das Geflecht aus Realität, Mythos, Halbwahrheiten und Lüge rund um das Phänomen Jack the Ripper tauchen wollen, hält der sensationell umfangreiche Anhang viele Hintergrundinformationen bereit.

 

# # # Andreas Grabenschweiger # # #

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