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Comic-Review: Wanted (Panini)

Die Neuauflage des zynischen Superschurken-Comics von Autor Mark Millar und Zeichner J. G. Jones ist Anlass genug, zwei konträre Meinungen dazu zu versammeln. Ring frei!

wanted_cover (c) Panini / Zum Vergrößern auf das Bild klickenWesley ist der Prototyp des amerikanischen Underdogs. Als klassisches Weichei wird er von seiner Freundin betrogen, von seiner Chefin gemobbt und sowieso von allen verarscht. Bis Fox in sein Leben tritt, um ihn dabei zu unterstützen ein kräftiges "Fuck you!" an die Welt zu richten. Wesley wird nun in eine Gesellschaft eingeführt, in der sich die Superschurken einst zusammenschlossen um die Superhelden zu vernichten. Dieses Kunststück gelang ihnen auch – nun sind sie die Drahtzieher und beherrschen die Menschheit.


Wir alle kennen Filme wie "Fight Club" oder "Matrix", in denen unscheinbare Figuren zu etwas Höherem berufen werden oder wegen eines inneren Konflikts ihr bisheriges Leben über Bord werfen, um endlich in ihren Leben etwas zu bewirken. Ein derartiger Beginn findet sich auch hier. Doch statt einen besseren Einblick in das Seelenleben der Charaktere zu bekommen, wie man es nach dem ersten Abschnitt erwartet, plätschert die Story höhepunktslos dahin und enttäuscht auf ganzer Linie.


Der Hauptprotagonist Wesley bleibt eine farblose Gestalt ohne wesentlich interessante Persönlichkeitsmerkmale. Drei Seiten lang dauert seine Ausbildung zum Superschurken, nach der er plötzlich als unbezwingbarer Killer dasteht. Kaum hat er sein Training beendet, tritt er das Erbe seines Vaters an und wird zum Bodyguard des einflussreichsten Kriminellen der Welt berufen. In dieser Position hat er die Freiheit sein neu gewonnenes Selbstvertrauen auszuleben und jeden umzunieten, der ihm über den Weg läuft, ohne dass es irgendwelche Konsequenzen für ihn gäbe.


Das einzige was die Geschichte vorantreibt sind Streitigkeiten und Machtkämpfe zwischen den einzelnen Fraktionen der Superschurken, die natürlich letzten Endes in einem gewaltigen Showdown mithilfe nonverbaler Kommunikation beigelegt werden. Alles in allem wirken Aufbau und Dialoge oberflächlich und pubertär.


Freude bereiten hier nur noch die großartig gezeichneten Kampfszenen von J. G. Jones und eine scheinbar niemals enden wollende Flut an Fäkalausdrücken. Damit muss man auch vorlieb nehmen, denn der Platz der in dieser Story für Gesellschaftskritik und geniale Charakteren auf jeden Fall vorhanden gewesen wäre, wurde schlicht und einfach vergeudet. Jeder "Watchmen"-Verehrer, der sich von "Wanted" eine ebenso komplexe Handlung erwartet hätte, dürfte enttäuscht sein.

# # # Bernhard Hesse # # #

 

 

Eines gleich vorweg: Die Blockbuster-Verfilmung mit James McAvoy und Angelina Jolie, die letzten Herbst über die heimischen Leinwände dröhnte, ist Schrott und zum Vergessen. Nichts gegen kurzweiliges Popcorn-Kino ohne allzu großen Anspruch und Tiefgang, aber was da abgeliefert wurde ist mit der Comic-Vorlage keinesfalls zu vergleichen. Die ist nämlich extrem humorvoll, zynisch, sexistisch und gewalttätig – kurz gesagt eine unterhaltsame Allmachtsfantasie und Parodie auf Heldengeschichten US-amerikanischen Comic-Zuschnitts. Geblieben ist bei "Wanted" von Timur Bekmambetov leider nur Sexismus und Brutalität; eine Mischung die hier einfach nicht funktioniert und die Ankündigung eines Sequels eher wie eine Drohung erscheinen lässt.


Die von Panini neu aufgelegte sechsteilige Story von Mark Millar und J. G. Jones ist jedenfalls großes Kino für den Kopf und funktioniert ähnlich wie "Watchmen" am besten auf Papier. Wie aufmerksame Leser schnell bemerken werden, lässt sich zwischen den beiden Superhelden-Dystopien allein schon wegen der zeitlichen Fixierung auf ein zentrales Handlungselement ein Konnex herstellen: Während bei Alan Moore der Abgesang auf die einst so strahlenden kostümierten Recken im Jahr 1985 seinen Abschluss findet, übernehmen bei "Wanted" die Superschurken 1986 vereint die Kontrolle über die Welt.


Eine eigentlich logische Konsequenz, die Millar hier gezogen hat: Nachdem "Watchmen" ja der ultimative Höhepunkt und Schwanengesang des Superhelden-Genres war, bleibt ihm eigentlich nur mehr, die Gauner, Mörder und Geisteskranken zu den neuen Stars zu erheben.


Auch hier lässt sich das Motiv der Übersättigung und Dekadenz verfolgen, das die schurkische Weltherrschaft in der Zwischenzeit ereilt hat: Bequemlichkeit und Routine, die schließlich einen der Bösewichte zu konspirativem Tun zu nötigen scheint; auch hier fürchtet das Establishment um seine Macht, Pfründe und die drohende Aufdeckung seiner Machenschaften.


Angereichert mit Fäkalsprache, augenzwinkernden Verweisen auf Batman, Superman und all die anderen Spandex-Hampelmänner, nimmt Millar das Genre, sich selbst und den Leser auf die Schippe – Publikumsbeschimpfung ist schließlich seit jeher ein Garant für Aufmerksamkeit. Wer sich für eine Stunde in eine Welt voll abgefahrener pubertärer Wichsfantasien, menschenverachtenden Verschleiß von Leib und Leben sowie einer zynischen Sichtweise auf den "9 to 5"-Lebensstil begeben will, wird hier auf jeden Fall seinen Spaß haben!

 

# # # Andreas Grabenschweiger # # #

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