"Victoria II" war euch zu kompliziert? Bei "Hearts of Iron" seid ihr gescheitert? Na dann, viel Spaß: Die strategieverrückten Franzosen von AGEOD schicken mit "Pride of Nations" ein Werk in die Welt, das alles bisherige in Sachen Komplexität in den Schatten stellt. Ob das nun positiv oder negativ zu werten ist – lest selbst.
Der erste Eindruck
ist ja nicht einmal so übel: Gerade mal 70 Jahre gilt es das Land meiner Wahl durch die Weltgeschichte zu führen. Das scheint nicht allzu viel zu sein, wäre da nicht die Tatsache, dass AGEOD im Gegensatz zu Genrekonkurrenten auf rundenbasierte Spiele setzt. Eine Runde sind dann 15 Tage, und bei der Menge, die in einer Runde zu erledigen ist, zieht sich schon ein Jahr wie der altbekannte Strudelteig.
Militär, Wirtschaft, Forschung und Diplomatie wollen
nach und nach pro Runde gemanagt werden – das klingt alles einfacher als es ist. Denn selbst Strategieveteranen werden vom Interface regelrecht erschlagen. Unzählige Filter, Buttons und Menüs tummeln sich rund um den Bildschirm, viele davon einfach zu klein. Das Umstellen der Auflösung führt lediglich zu Texturänderungen, an der Größe der Kästchen oder Schriften ändert sich nichts. So bin ich auf meinem 24" gezwungen, mit der Nase knapp vorm Schirm nach den Items zu suchen oder die Nachrichten zu verfolgen.
Großes Lob verdienen hingegen
das Militärsystem und die pingelige historische Authentizität. Das Rekrutieren und Verteilen der Einheiten geschieht per simplem Drag&Drop-System und geht als einer der wenigen Aspekte des Spieles flott in Fleisch und Blut über. Und was die historische Korrektheit betrifft: Von den Rohstoffvorkommen bis zu den Uniformen ist alles bis ins kleinste Detail durchdacht, was jede der zu spielenden Großmächte (USA, Großbritannien, Preußen, Frankreich, Japan, Russland, Österreich-Ungarn und Italien) zu einer jeweils eigenen Herausforderung macht.
Die Provinzverwaltung und das Wirtschaftssystem sind
zweischneidige Schwerter. Produktionsstätten können aus vielerlei Gründen den Betrieb einstellen, was in der Nachrichtenflutwelle schnell mal untergehen kann. Und reichen etwa die Ressourcen wieder aus, um das Werk wieder zum Laufen zu bringen, so ist dies leider nur manuell möglich. Auch die Forschung wirkt unausgegoren: Technologiebaum gibt es gleich gar keinen, als Anfänger und auch etwas erfahrenerer Spieler kämpft man sich durch ein Meer aus Zufälligkeiten.
Davon abgesehen krankt "Pride of Nations"
aber an den selben Symptomen, die schon das letzte AGEOD-Stück "Rise of Prussia" zu einer nicht gerade einfachen Kost machten: Aus Komplexität wird Verwirrung, aus mannigfaltigen Möglichkeiten wird Unübersichtlichkeit. Bei "Victoria II" oder "Europa Universalis III" stellte sich nach einiger Zeit ein Gefühl des Verstehens ein, die Lernkurve bei "Pride of Nations" ist mir dann doch um einiges zu steil. Um dieses Monster adäquat zu testen, wären einige Wochen notwendig.
Fazit: Auch wenn es in der heutigen Zeit viel zu viele
Casual-Games gibt, die einem jeden Babyschritt erklären, ist das völlige Gegenteil nicht unbedingt wünschenswert, da viel zu viel über Trial & Error abläuft. Ist man endlich im Spiel drinnen, entfaltet sich die dahinterliegende Schönheit auch nur langsam, da noch einiges an Bugs herumkrebst. "Pride of Nations" ist vorrangig für jene etwas, die AGEOD seit Anbeginn folgen und mit den Eigenheiten des Designs schon vertraut sind.