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SLAM #133 mit Interviews und Storys zu HIGH ON FIRE +++ KMPFSPRT +++ HOT WATER MUSIC +++ KRIS BARRAS BAND +++ MAGGIE LINDEMANN +++ THOSE DAMN CROWS +++ COLD YEARS +++ u.v.m. +++ Jetzt am Kiosk!

NAKED LUNCH


Sie sind zurück...

Wobei man das ja so nicht sagen kann, denn wirklich fort waren sie ja nicht, existiert hat die Band ja auch in den vergangenen Jahren, als sie aus dem Blicklicht der Öffentlichkeit mit Ausnahme einiger weniger Clubshows beinahe völlig verschwunden war.
Die vergangenen Jahre waren sicherlich die schwersten, die die Musiker aus Klagenfurt, dem größten Dorf im südlichen Österreich, im Laufe ihrer Karriere durchlebt und, wie sich nun zeigt, auch gemeistert haben... schwere persönliche Schicksalsschläge haben Spuren hinterlassen, doch Erfahrungen und Erlebnisse bilden Persönlichkeiten und um solche handelt es sich bei den Protagonisten auf jeden Fall... der neue Tonträger „Songs For The Exhausted“ ist nun nach langer Wartezeit endlich fertig und die Band rund um Mastermind Oliver Welter hat sich im Wiener Radiokulturhaus zum Interview eingefunden. Zu Beginn der Karriere vor mittlerweile 13 langen Jahren wurde man in den Himmel gehoben, als das nächste große Ding abgefeiert, zu absurden Listeningsessions vor einigen ausgesuchten Plattenmanagern nach New York geflogen, mit Stretchlimousinen durch den Big Apple und durch Rio chauffiert... die Industrie dürstete nach den nächsten Megasellern, hofierte die drei Jungs aus der Alpenrepublik, die den hart schrammenden Gitarrensound im Sinne von Grunge und Postgrunge mit der Muttermilch aufgesogen zu haben schienen... und zudem noch mit der richtigen Portion Selbstbewusstsein ausgestattet waren... was in Publikumskreisen ja nicht immer auf die große Gegenliebe stieß... schnell hatte man sich den Ruf der arroganten abgehobenen Möchtegernsuperstars eingehandelt, was auch niemanden verwunderte, war das Benehmen auch nicht dazu angetan, die netten Jungens von nebenan zu geben... man nahm sich die Freiheit die man für angebracht hielt, unnötige Bescheidenheit blieb vorne draußen, man agierte wie artverwandte Bands aus England oder den USA..

Einmal Superstardom...

Wird Musikern aus heimischen Breiten oft mangelndes Selbstvertrauen vorgeworfen, drehten NAKED LUNCH den Spieß um... Selbstbewusstsein wurde zum zweiten Vornamen... mit exakt dem was genau zur gleichen Zeit auf der Insel die halbe Miete zum großen Deal war, legten sich die Kärntnern im Laufe der Zeit jedoch immer wieder Baumstämme in den Weg... kommt doch offensive Selbstsicherheit in Mitteleuropa nicht ganz so gut an, wird von Künstlern hier anscheinend traditionell eine gewisse Art der kulturbedingten Unterwürfigkeit erwartet. Wenn man nicht mit jedem der eben um die Ecke kommt gleich auf nen freundschaftlichen Drink geht, hat man mir nichts dir nichts den Ruf des präpotenten Arschlochs am Hals... und wenn das gleichzeitig erscheinende Album dann auch noch „Superstardome“ betitelt ist, kann schon passieren dass man in der Nachbarschaft schnell mal heftig unten durch ist... doch kann man auch nicht gerade behaupten, dass das NAKED LUNCH sonderlich gekratzt hätte... war der Titel doch zwar zum Teil ernst (der Anspruch war Programm), zu einem gewissen Teil aber auch ironisch gemeint... „man spricht halt so in Codes, wir verstehen sie und wenn andere sie nicht verstehen, ja meine Güte was soll’s ... also uns wurde der Titel „Superstardome“ ja vorgeworfen und wir haben uns eben bei ein paar Bierchen toll darüber amüsiert... ja sollen die halt meinen wir wären die präpotenten Säcke.... ist doch so egal...“

...und zurück

Überhaupt machen die Herrschaften mittlerweile einen sehr abgeklärten Eindruck... was es bedeutet in den Himmel gehoben zu werden hat man erlebt, was es bedeutet aus dieser Höhe ohne Fallschirm wieder auf ebener Erde aufzuklatschen, können sie einem erzählen, was es bedeutet die besten Freunde und liebsten Menschen zu verlieren auch... und doch hat man nicht das sprichwörtliche Handtuch geworfen. Nach 13 Jahren stehen NAKED LUNCH nun ein weiters mal in den Startlöchern auf dem Weg nach oben der ihnen aber mittlerweile gar nicht mehr so wichtig zu sein scheint ... „wir müssen uns oder irgendwem da draußen nichts mehr beweisen, dafür gibt es die Band schon zu lange, wir haben zu viele Höhen und Tiefen erlebt... diese vermeintlichen Parolen vom Durchstarten wurden uns schon so oft von Plattenfirmenmenschen und allen möglichen Leuten die im Hintergrund arbeiten um die Ohren geschlagen und dessen sind wir sehr müde und es interessiert uns einfach nicht mehr...“
Sollte sich mit „Songs For The Exhausted“ der Erfolg einstellen wär’s natürlich eine wunderbare Sache, aber man ist offensichtlich an einem Punkt angelangt an dem es in allererster Linie um die Musik, um den eigenen Ausdruck für sich selbst, und erst in zweiter Linie um die Außenwelt geht... womit vielleicht nun wirklich der große Schritt geglückt sein könnte.

Die innere Emigration als Weg nach außen

Genau danach klingt auch das neu vorgelegte Album, nichts lässt mehr den ordentlich loskrachenden Sound der Anfangstage erahnen, „Songs For The Exhausted“ besticht durch Ruhe, verletzlich, in sich gekehrt spiegelt das Album das Bild eines Songwriters der in langen einsamen Stunden das Innerste nach Außen kehrt, sich Gefühle, Emotionen, Sehnsüchte und Hoffnungen von der Seele schreibt... der Grundton schwelgt in tragender warmer Melancholie, doch blitzt immer auch das schöne verheißungsvolle Licht am Ende des düsteren Tunnels mit auf... will man Vergleiche ziehen, so kommen einem bei dem einen oder anderen Song durchaus Namen wie Will Oldham oder Smog in den Sinn, nicht dass die Musik eins zu eins vergleichbar wäre, nö ist sie definitiv nicht, dazu sind NAKED LUNCH zu sehr im Pop verhaftet, doch seelische Momentaufnahmen tiefster Düsternis mit dem schönen Schuss Optimismus finden sich in vergleichbarer Weise hier wie dort... Fragt man nach direkten Einflüssen, fallen Namen bei denen sich durchaus der Zahn der Zeit bemerkbar macht... waren frühere Vorbilder irgendwo zwischen NIRVANA und OASIS angesiedelt, prägen heute Künstler wie THE FLAMING LIPS und AIR beziehungsweise die alten Götter des Songwritings JOHNNY CASH, JOHN LENNEN oder LEONARD COHEN…
...und vielleicht war das zumindest mit ein Grund, der die Arbeit zu „Songs For The Exhausted“  so langwierig gestaltet hat... das Material war schon lange fertig, die andauernde Tüftelei noch lange nicht. Plattenfirma die ehrliches Interesse hätte war lang keine in Sicht und die Arbeit im eigenen Studio dauerte schier ewig. Tastenmann und Techniker Stefan Deisenberg wohnte beinahe ein Jahr darin, wobei es am Schluss keine Heizung und kein Wasser mehr gab „das kalt war nicht so das Problem, aber die riesengroßen Vorteile der westlichen Zivilisation sind Wasserklosetts... ich schwör euch... hat man das nicht mehr, geht’s einem schlecht...“ und doch hat man nicht kapituliert, irgendwo gab es doch immer wieder den Punkt, sich aufzuraffen und weiterzumachen, im Bewusstsein, dass es verdammt noch mal um was geht... und wenn man im Interview den Leutchen so zuhört, ist der Punkt um den es sich dabei dreht nicht mehr wie einst die Weltherrschaft, das Zentrum ist der Ausdruck des eigenen Empfindens... und wer weiß, vielleicht wäre es auch dabei geblieben, die vier Typen hätten sich daheim an ihrem Silberling gefreut, doch niemand sonst außer einiger weniger Eingeweihter hätte die Scheibe jemals zu hören bekommen.

Der Wagner-Faktor

Und wäre da nicht ein Herr namens Patrick Wagner ins Spiel gekommen, der Frontmann von SURROGAT, Gründer und ehemalige Betreiber des Kultlabels Kitty Yo, der mittlerweile auf einem nicht gerade unbedeutenden Sessel im Hause Motor Music Platz genommen hat. Patrick hat das Material gehört und seinem Label beinahe reingeboxt... „eigentlich müsste auf der Platte ja draufstehen „erscheint bei Patrick Wagner Records“ und so wie es scheint ist er auch derjenige der den Musikern auch wieder einen Teil des „Glaubens“ an die Musikindustrie wiedergegeben hat. Ist es doch das erste Mal, dass sie mit dem Menschen der sie bei der Plattenfirma betreut auch gerne gemütlich auf ein Bier gehen und von dem sie wissen, dass der Inhalt zählt und nicht ausschließlich die marktstrategische Überlegung. Wobei ihnen durchaus bewusst ist, auf was es im Endeffekt ankommt... „eines Tages ist halt das Entscheidende der Rotstift, da wird die Kalkulation genommen und dort steht dann, NAKED LUNCH haben so viel gekostet und haben so viel eingespielt... was zählt ist die Quote und aus dem Spiel sind wir ja nicht ausgenommen... und es wird sich weisen wie es mit Motor ist, Patrick Wagner hin oder her, wenn wir nicht zufriedenstellend verkaufen, werden wir auch hier mal wieder unsere Sachen packen müssen... das ist ganz normal... das nennt man Kapitalismus... ich hab’s nicht erfunden und ich unterstütz es auch nicht, aber so ist es halt mal...“. Doch so wie es derzeit aussieht könnte nach all den schlechten Erfahrungen aus längst vergangenen Tagen bei Mercury diesmal sogar das Endergebnis dieser Rechnung stimmen. Seit einigen Wochen ist das Album am Markt, die Reaktionen waren grandios, ob Intro, Musikexpress, Spex oder wer auch immer, die Kritiken fielen ähnlich gut aus wie das Album als solches. Die Clubtour durch Deutschland Österreich und die Schweiz steht gerade an, im Sommer werden einige ausgesuchte fein familiäre Festivals gespielt, um Massenauftriebe wie Rock im Park & Co. machen NAKED LUNCH aber geflissentlich einen großen Bogen, mal ganz abgesehen von der Horrorvorstellung des Umfelds... „also diese Veranstaltung muss einfach spurlos an uns vorübergehen...vor allem mit der Platte nicht... vor Publikum das sich am Vortag die Hucke vollgesoffen hat... also nix dagegen einzuwenden, wir machen das ja auch gern... das um 13:00 Uhr aufgestanden ist und dann um 14:00 Uhr wir... ich würde das ja persönlich auch als Belästigung empfinden wenn ich im Publikum bin und da kommen die vier leidenden Jungs auf die Bühne und wollen einem erzählen wie schlecht die Welt ist... die Funktion sollen ganz andere übernehmen, die Rockbands die dafür auch angelegt sind sollen da die Menschen unterhalten, das ist legitim aber wir haben da einfach nichts verloren...“
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"Und jetzt haben wir zum ersten Mal viel Zeit in einem Majorstudio verbracht."

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