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WAVE GOTIK TREFFEN

13.-16.5.05 (Leipzig)
wgt2 / Zum Vergrößern auf das Bild klickenKurzurlaub In Gruftiland oder Wie Ich Meine Pfingstferien Verbracht Habe

WGT heißt „Wave Gotik Treffen“ und ist das wohl größte Gothic-„Happening“ Europas, wenn nicht weltweit. Bereits zum 14. Male reisten schwarz angezogene Menschen aus jeglicher Himmelsrichtung zu Pfingsten nach Leipzig, um zu sehen und gesehen zu werden. Über 20.000 waren es dieses Jahr. Auch ich war wieder mit dabei. Warum? Leute, es ist ein unvergessliches Erlebnis!

Ankunft
Die Veranstaltungsorte des WGT befinden sich quer über die Stadt verteilt, und so bevölkern bereits am Tag unserer Ankunft tausende düstere Gestalten das Stadtbild: was sich sehr gut macht in Leipzigs grünen, romantisch verfallenen Ambiente. Überhaupt, das Ganze verströmt morbiden Sex-Appeal: Spärlich bekleidete „Ohne Rock und oben Netz-Träger/Innen“ bei Aldi am Bahnhof, Jungs mit schwarzem Lippenstift und Lackhosen die alte Omas nach dem Weg fragen, Taxifahrer die „Umbra et Imago“ im Auto laufen haben. Dem Betrachter offenbart sich eine seltsame Koexistenz: Die Leipziger haben sich an den alljährlichen Einfall der schwarzen Horden nicht nur gewöhnt, sie profitieren davon. Die Hotels sind Monate im Voraus ausgebucht und auch der Handel boomt: Schließlich muss auch der Todessehnsüchtigste ab und an mal was essen.

Step One
Nach einer Kollision unserer Straßenbahn mit einem Taxi und einem 30-minütigen Fußmarsch erreichten meine Spießgesellin und ich das Agrar-Gelände. Unser Auftrag: „Bändchen holen“. Das sichert dem Besucher alljährlich Zugang zu all den Wonnen, die das WGT zu bieten hat: Dutzende Konzerte, Mittelaltermarkt, Lesungen, Filmvorführungen, Öffis inklusive. Dieses Jahr gab es sogar einen eigenen Kindergarten für den Grufti-Nachwuchs. Schwarzes Herz was willste mehr! Beim Einlass ließ ich, das eiskalte Presseschwein, die – beeindruckend lange – Schlange der Wartenden links liegen und bekam im Offizium meinen Pressepass. Alles ist bestens organisiert, der Empfang herzlich. Danke noch mal im Nachhinein! Einmal auf dem Gelände erfreute ich mich all der schönen Menschen, am nächstliegenden Getränkestand und an der „Jim Beam (oder war`s Jack Daniels?) Karaoke-Bühne“, wo jedes hoffnungsfrohe Jungtalent für seine Darbietung eine aufblasbare Luftgitarre geschenkt bekam. (Hier noch einmal speziellen Dank an „Tanga Tobi“ für seine gelungen Re-Interpretation des Bon Jovi Klassikers „Living On A Prayer“) Nach dieser Schnupper/Stippvisite war`s dann aber erst mal Essig mit Gothic. TURBONEGRO stand auf dem Programm. Und ein Mädchen sollte wissen wo seine Prioritäten liegen.

Turbonegro
Denn zeitgleich zum Gothic-Festival waren die skandinavischen Mannen im Haus Auensee zu Gast. Und, was soll ich sagen? Es war wie immer brachial. Wie viele Lobhymnen auch schon gesungen wurden, wie viele Rosen gestreut: Für diese Band, können es meiner Meinung nach nie genug sein! Denn ob sie es – wie an diesem Abend - Dollarscheine regnen lassen oder ihr Publikum in Kunstblut baden: über allem schwebt die infernalische Liebe im, für und zum Rock. Mag`s auch nur ein Mythos sein: Hank und die Jungs, sie lassen ihn jedes Mal aufs Neue für mich wahr werden. God save the queer!

Darkness forever
Durchgeschwitzt, totgerockt und mit einem dämlichen Grinser im Gesicht betraten wir - wie sich das für ordentliche Wesen der Nacht gehört - kurz nach Mitternacht eine der vielen schwarzen Partys, um den Tag nach dem fulminanten Konzert im gediegen schwarzen Ambiente ausklingen zu lassen. Die Auswahl fiel uns nicht schwer, wussten wir doch von einer Veranstaltung die unseren musikalischen Ansprüchen genüge tun konnte. WGT, muss man wissen, heißt nämlich auch Auswahl und Selektion. Jede der mannigfaltigen Unterkategorien der „schwarzen“ Szene braut sich ihr eigenes Süppchen: musikalisch, stilistisch, weltanschaulich. Schwarz ist nicht gleich schwarz, meine Lieben: Da gibt es Burgfräulein, Lacrimösen, Fetischisten, die Elektronikfraktion, die Futurepop- einer und die „Oldschool“-Anhänger andererseits, die Waver, die Neo-Folker, Blackmetaller, Deathrocker, Cybergoths und Mittelalterfans. Tja, es lässt sich vermuten dass sich manch schwarzer Geselle wohl oft dem Briefträger inniger verbunden fühlt als dem Vertreter einer anderen Sub-Fraktion. Immerhin hegt man in dieser Szene seine Ressentiments weitgehend friedlich: man straft die jeweils „anderen“ nur mit milder Verachtung und leichtem Spott. Aber, all das tangierte uns an diesem Abend höchstens peripher. Zu Klängen von MISFITS, CLASH und INTERPOL im Kreise fröhlich pogender Schwarzpunx beendeten wir unseren Abend.

All inclusive
Auch die nächsten Tage verliefen höchst anregend und festivalgemäß: Wir hatten den obligatorischen Festival-Matsch, die standardisierte Festival-Schlechtwetterperiode, waren chronisch pleite und litten an den üblichen Festival-Verschleißerscheinungen: Bereits am zweiten Tag waren wir leichenblass mit tiefen Augenringen, und das ganz ohne Schminke.
Aber dem Tode nahe sein ist ja auch irgendwie sexy und wer schätzt nicht eine verrauchte tiefe Stimme? Unsere prekäre Finanzsituation nahmen wir auch ganz locker: „Is ja Urlaub, nicht?“ Und wozu hat man seine Pubertät denn unter wackeren Punkrockern verbracht, wenn nicht um für harte Festivaltage gewappnet zu sein! Diese Einstellung half uns auch den anderen Besuchern neidlos beim shoppen zuzusehen: Tod dem Konsumterror und so... Wir machten lieber Fotos: zum Beispiel von der gipsernen Bela B.-Büste feilgeboten an einem der Verkaufsstände in der Grufti Shopping Mall. Was es alles gibt! Konzerte haben wir uns natürlich auch einige gesehen: Allein, der Abend mit Turbonegro war schwer zu toppen. Trotzdem stand Nettes am Programm, es spielten u. a. Größen wie VISAGE, HUMAN DISEASE und ANNE CLARK. Uns begeisterten vor allem ein wunderschöner Auftritt von FRANK, THE BAPIST und eine sehr gelungene Lesung von Christian von Aster.

Back to life
Abschied von Leipzig. Dienstag, 10 Uhr vormittags, 7°, es ist windig: Was mal ´ne Frisur war hält nicht mehr, das hilft auch kein 3-Wetter-Taft. So ein ...Wetter. Und das im Wonnemonat! Aber egal, das Festival war vorbei, zum Autofahren muss sich nicht mal ein Grufti stylen. Nach 4 Tagen, und 9 Stunden Fahrt erreichten wir - mehr tot als lebendig - wieder unseren Heimathafen: Wien, Stadt der Selbstmörder, des Zentralfriedhofs, Narrenturms und der Kapuzinergruft. Genau das richtige um sich von einem Gothic-Event zu erholen. Keep it black!

Sanna
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