Schon einige Jahre vor Asterix machte sich ein anderer Gallier auf, um (bis heute) Comic-Geschichte zu schreiben.

Jedes Kind kennt die Geschichte(n) der tapferen Krieger um Asterix und Obelix, deren Dorf als einziges in Gallien nicht von den Römern besetzt werden konnte und den Truppen von Julius Cäsar bereits seit 1959 hartnäckig Widerstand leistet – elf Jahre früher feierte bereits ein anderer Held seinen Einstand auf den Seiten von "Tintin", der ebenfalls aus jenen Landen stammte und ein wesentlich freundlicheres Verhältnis zum Feldherren und Politiker pflegte: "Alix" ist ein weiterer frankobelgischer Klassiker, den Kult Comics mit einer Integral-Ausgabe ehrt und der Leserschaft damit wie von diesem Format gewohnt jede Menge Bonusmaterial und Hintergrundinfos beschert – so lernen wir unter anderem die diversen Steine kennen, die Serienschöpfer Jacques Martin in der Frühphase seiner Karriere aus dem Weg räumen musste, und bekommen nach der umfangreichen Einleitung auch noch quasi einen antiken Reiseführer an die Hand.
Zum Abdruck kommt nämlich ein anno 2000 erschienener Band aus der Reihe "Les Voyages d`Alix", der sich mit Karthago dem großen Gegenspieler des Römischen Reichs samt den Punischen Kriegen, aber auch städtebaulichen und kulturellen Aspekten bis hin zum Götterpantheon und selbst zeitgenössischer Bekleidung widmet. Ergänzt um Fotos von Ausgrabungen aus unserer Zeit vermitteln die detaillierten Bilder von Monsieur Martin einmal mehr den Aufwand, den der Künstler in puncto Recherche für seine Alben betrieb, was "Alix" von Beginn an zur unangefochtenen Referenz als Comic machte, der tatsächliche historische Ereignisse und Persönlichkeiten der Antike mit fiktiven Charakteren mischte und diese vor einer absolut glaubwürdigen Kulisse präsentierte.
Gleichzeitig lässt sich im Verlauf der im vorliegenden Auftaktband abgedruckten Geschichten auch die Entwicklung des Zeichenstils mitverfolgen, die besonders beim Übergang vom zweiten auf den dritten Band ins Auge springt: Nach "Alix der Kühne" ("Alix l`intrépide") und "Die goldene Sphinx" ("Le Sphinx d`or"), jeweils erstmals 1956 in Albenform erschienen, lernen wir den in im Jahr 53 v. Chr. in Khorsabad als Sklaven gestrandeten Sohn des gallischen Häuptlings Astorix (!) und seinen griechischen Widersacher Arbaces kennen, fällt "Die verfluchte Insel" ("L`Île maudite", 1957) durch einen wesentlich klareren und vereinfachten Stil auf. Gemein ist allen drei Erzählungen jedoch neben dem erwähnten historischen Fundament ordentlich "value for money", denn hier wird sehr viel gesprochen und – für die heutige Leserschaft ungewohnt – sehr viel mittels Textkästen erzählt.
Neben Rhodos, wo ihn der örtliche Gouverneur adoptiert und somit zum römischen Bürger macht, bereist Alix schließlich als eine Art Mann für besondere Aufgaben von Cäsar mehrere Hotspots der antiken Welt, um sowohl in Ägypten als auch Karthago und westlich der Säulen des Herkules (sprich Gibraltar) geheimen Umtrieben auf die Spur zu kommen, die das politische und militärische Machtgefüge bedrohen könnten. Neben der eigentlichen Story gibt es neben geschichtlichen Aspekten aber auch solche, an denen sich die Comic-Forschung abarbeitet, etwa das vieldiskutierte Verhältnis zwischen Alix und seinem jungen ägyptischen Freund Enak, das homoerotische Züge trägt, oder die Tatsache, dass Frauen hier absolut keine Rolle zu spielen scheinen. Diese ganze Mischung macht die Lektüre äußerst spannend, lediglich in der B-Note gilt es Abzüge durch einige Schnitzer im Lektorat und versehentlich vertauschte Texte hinzunehmen.