Michel und Nadine Weyland verstehen es, den Abschied von der reiselustigen Abenteuerin so bittersüß wie möglich zu gestalten.
Es bedarf schon einer gehörigen Portion Mut, einer Serie, die bereits zwei Verlage auf dem deutschen Comic-Markt zu etablieren versuchten, eine dritte Chance zu geben. Sebastian Röpke hat sich getraut und das geschafft, woran der Feest Verlag und Epsilon gescheitert sind – möglicherweise war damals die Zeit noch nicht reif für den Titel, der Geschmack der Käuferschaft ein anderer oder die Umsetzung schlicht nicht passend. Die 2018 bei Kult Comics gestartete Integral-Ausgabe jedenfalls kann ohne Umschweife als die optimalste Umsetzung von "Aria" bezeichnet werden, nicht zuletzt weil sie in enger Abstimmung mit dem Schöpfer Michel Weyland entstand, Unmengen an Bonusmaterial enthält und unterm Strich die wohl beste und werkgetreuste Fassung darstellt, die möglich ist.
Mit dem Erscheinen des vorliegenden zehnten Bands sind für alle Beteiligten sicher ein weinendes und ein lachendes Auge verbunden: Die enthaltenen Alben 37-40, die im Original ab 2015 im Abstand von jeweils zwei Jahren veröffentlicht wurden, markieren den Abschluss des unglaublich ambitioniert aufbereiteten Klassikers rund um die resolute Heldin und fahren noch einmal erzählerische Geschütze auf, die bereits frühere Kapitel ihrer turbulenten Erlebnisse ausmachten: Viele bisher innerhalb der Serie relevante Motive wie toxische Männlichkeit und Unterdrückung der Frauen, die Ausbeutung und Irreführung von Menschen und der Umgang mit zivilisatorisch scheinbar unterlegenen Völkern tauchen auch diesmal wieder auf.
Welch große Welt im Laufe der Jahre rund um Aria entstanden ist, verdeutlichen dabei die zahlreichen Rückgriffe und Referenzen an bisherige Geschehnisse und die damit verbundenen Orte sowie Personen. An Dramatik wird erneut keinesfalls gespart, als unsere Heldin in "Bringt die Angeklagte zum Schweigen" (im Original "Faites taire l`accusée") einmal mehr in die Fänge korrupter Vertreter des Gesetzes gerät, in "Der Thron des Teufels" ("Le Trône du diable") gegen die Machenschaften eines vermeintlichen Ritterordens vorgeht und sich ganz nebenbei mit Fieber einen neuen Love interest angelt.
"Rettende Flammen" ("Flammes Salvatrices"), das sich mit gefährlichen Nachwirkungen ihres vorangegangenen Abenteuers beschäftigt, bestätigt dann übrigens endgültig die zeitliche Verortung von "Aria", auf die es bereits früh in
"Die Ritter von Aquarius" (1983) einen deutlichen Hinweis gab. Nach den üblichen Hintergrundinfos und drei vorangestellten Kurzgeschichten lässt dann "Reisebericht" ("Carnet de voyage") alle zehn Bände nochmal Revue passieren. Es sollte nicht schwer sein, dadurch auf den Geschmack zu kommen, der von Nadine Weyland wiederum fantastisch kolorierten Saga einen weiteren Lesedurchlauf zu gönnen. Nicht zuletzt, um alle Miezen zu entdecken, von denen der Autor dieser Zeilen glaubt, in jedem Band stets mindestens eine erspäht zu haben.