Endlich kommt der Wanderer zwischen den verheißungsvollen Sphären seiner Träume und der harschen Wirklichkeit in den Genuss einer werkgetreuen Übersetzung.
Das Stichwort "Condor-Interpart" lässt jene, die zwischen 1979 und 1996 nach Superhelden-Lektüre gierten, noch immer erschaudern – schließlich war der Verlag, der (ausgenommen einige Ausreißer bei etwa Feest oder Bastei) die hiesigen Lizenzrechte für Marvel innehatte, für eine teils chaotische Veröffentlichungspolitik, schludrige Übersetzung und nicht zuletzt bis beinahe dadaistischen Sinnlosigkeit eingedampfte Sprechblasentexte bei seinen Taschenbüchern berüchtigt. Ausgerechnet in jenem Jahr, in dem man zunächst noch unter dem ursprünglichen Namen Condor Verlag mit den ersten Titeln rund um Spider-Man & Co. loslegte, erschien dort auch der erste von zwei Bänden von "Mark DeVille: Agent der Sterne".
Wohl die wenigsten dürften damals gewusst haben, dass die Serie, die man im Albumformat rausbrachte, im Original "Le Vagabond des Limbes" hieß und der Protagonist nicht Mark DeVille, sondern Axle Munshine. Auf ähnlich holprige Weise sollte der deutschsprachige Weg der Kreation von Autor Christian Godard und Zeichner Julio Ribera bei den anschließenden Stationen wie dem Alpha Verlag weitergehen, wie wir aus der Einleitung des vorliegenden Auftakts einer ambitionierten Integral-Ausgabe erfahren. Dahinter steckt Kult Comics und somit die Garantie, dass mit großer Sorgfalt gearbeitet wird, in diesem Fall auch in direkter Abstimmung mit Christian Godard. Wer beispielsweise die mustergültige Aufbereitung von Michel Weylands Fantasysaga
"Aria" kennt, kann sich beruhigt zurücklehnen.
Los geht es mit den ersten vier Alben, die zwischen 1975 und 1978 in Frankreich erschienen und denen jeweils mehrere Seiten Bonusmaterial mit umfangreichen Hintergrundinfos vorangestellt werden, in denen wir die Grundzüge und Beschaffenheit des intergalaktischen Imperiums, in dem sich die Handlung abspielt, kennenlernen. Axle Munshine bekleidet hier die Rolle des Großen Schlichters, der zwischen den verschiedenen Reichen und Interessen vermittelt, die der Gilde als oberster Instanz unterstehen. Bei der Rückkehr zusammen mit Musky, dem (mit reichem Schimpfwortvokabular gesegneten) Prinzen der Eternauten, welche der Konföderation beitreten wollen, wird er Opfer einer Intrige und eines schweren Verbrechens angeklagt.
Axle hat gegen das Gebot, die "Pforten des Schlafs nicht zu durchschreiten", verstoßen, da er mit einer eigenen Maschine seine Träume erforscht und aufzeichnet. Der Exekution kann sich der gefallene Günstling des Oberen Mittlers durch Flucht entziehen, doch muss nun, aller Privilegien beraubt, auf der Hut sein. Auf dem Silberdelphin, einem mit allen Raffinessen ausgestatteten Raumschiff, begibt sich Axle auf die Jagd nach einem Phantom – die Frau mit dem bezeichnenden Namen Shimere aus seinen Träumen. Gemeinsam mit Musky gerät er dabei auf die "andere Seite", macht Bekanntschaft mit einer Zivilisation, bei der alles vorherbestimmt wird, einer auf Reinkarnation spezialisierten Kirche und letztlich auch sich selbst.
Ohne Frage ist manches an "Der Vagabund der Unendlichkeit" nicht so gut gealtert, etwa die Speicherung von Axles Erinnerungen auf Magnetbändern, welche zum Zeitpunkt der Entstehung wohl noch als Hochtechnologie galten. Auch der eine oder andere blanke Busen, der zwischendurch immer wieder mal aufblitzt, dürfte zum Zeitpunkt der Entstehung eher dem guten Ton der an ein erwachsenes Publikum gerichteten Schöpfungen der Neunten Kunst in Europa geschuldet gewesen sein, lockt heute aber wohl keinen mehr hinter dem Ofen hervor. Abgesehen davon präsentiert sich die grundlegende Handlung aber von vielen zeitlosen Motiven durchzogen.
So kommt etwa Geschlechteridentität ebenso zur Sprache wie die Natur hochentwickelter Gesellschaften, das Streben nach ewiger Jugend und einem neuen Körper, Gentechnologie, der Kampf gegen ein vorherbestimmtes Schicksal oder parallele Dimensionen. Alles Themen also, die immer noch aktuell sind und gute Science-Fiction ausmachen. Julio Ribera setzt die ganzen Fantastereien in ausufernden Bildern um, bei denen sich lediglich das oft wechselnde Antlitz des Protagonisten als Kritikpunkt anmerken lässt. Abgesehen davon ein Wiedersehen nach Maß mit einem nun endlich in einer würdigen Version präsentierten Kleinod aus Frankreich.