Unerhört! Der erfolgreiche Unternehmer Thornton Lyne wird im Hyde Park tot aufgefunden.

Einmal mehr erschüttert ein brutales Verbrechen London. Thornton Lyne war ein bekannter Gönner der Stadt, der sich immer wieder für die Armen und Abgehängten der Gesellschaft einsetzte. Wer könnte einem solchen Mann nach dem Leben trachten und ihn auf brutale Weise ermorden? Und welche Bedeutung haben die gelben Narzissen am Tatort? Chief Inspector Bliss befindet sich erneut am Beginn einer Mordermittlung, die sein ganzes Geschick erforderlich macht. Doch bereits wenige Stunden später scheint der Mordfall geklärt.
Die erdrückenden Beweise bieten kaum noch Raum für Zweifel, bei der Täterin dürfte es sich um die junge Angestellte Odette Rider handeln. Sind es tatsächlich niedere Beweggründe, wie eine Unterschlagung im ungeahnten Stil, die zum Mord an ihrem Vorgesetzten führten, oder steckt doch mehr hinter der Bluttat? Der Verdacht erhärtet sich noch weiter, da die Gesuchte scheinbar überhastet das Land verlassen hat. Die Justiz ist sich sicher, den Täter identifiziert zu haben, nur Inspector Bliss zeigt sich nicht bereit, an das Offensichtliche zu glauben, und ermittelt in eine gänzlich andere Richtung.
"Das Geheimnis der gelben Narzissen" ist sicherlich keine Story aus der ersten Reihe der Romane von Edgar Wallace und wurde zwar bereits im Hype der 1960er Jahre verfilmt, musste sich aber immer mit einem Schattendasein hinter den ganz großen Erzählungen des Krimi-Altmeisters begnügen. Irgendwie verhält es sich auch bei dieser Vertonung ein wenig so. Die Qualität der Aufnahmen bedarf keiner Diskussion und bewegt sich auf dem Niveau aller bisherigen Veröffentlichungen dieser Reihe. Allerdings sind düstere Gemäuer, verkleidete Kriminelle oder Geistererscheinungen im vorliegenden Fall Fehlanzeige. Was bleibt ist ein routinierter Kriminalfall mit einigen überraschenden Wendungen, der in einem gefälligen Tempo die Geschehnisse vorantreibt.
Allerdings verfügt auch diese Geschichte über ein typisches Trademark der vielen Edgar-Wallace-Romane: Der einfältige und für kriminelle Zwecke missbrauchte Wahnsinnige stellt ein Motiv dar, das sich in vielen Storys des Autors wiederfindet, in seiner Einfachheit jedoch für die heutigen Verhältnisse etwas kurz greift und altbacken wirkt, aber als Hommage an den Autor verstanden hier von Marc Erkens erschreckend gut in Szene gesetzt wird. Seiner Performance wohnt eine fiebrige Verstörtheit inne, die den Wahn für den Hörer greifbar macht.
"Das Geheimnis der gelben Narzissen" beginnt etwas ruhiger als andere Episoden dieser Reihe, nimmt dafür im weiteren Verlauf ordentlich an Fahrt auf und weiß insbesondere auf der Zielgeraden durch seine dichte und sehr stringente Erzählweise zu überzeugen. Natürlich gibt es auch in dieser Folge eine wohldosierte Prise Humor in Form des listigen Reporters Archibald Leach, der aber zum Glück nie ins Klamaukhafte abdriftet, sondern sich immer mit einem Augenzwinkern und einer tiefen Verbeugung vor dem Autor verstanden wissen will.
Die Dialoge sind ansprechend arrangiert und dem heutigen Sprachgebrauch angepasst, was sich in einer moderneren Inszenierung wie dieser positiv niederschlägt. Bei der musikalischen Gestaltung bleibt man dem eingeschlagenen Weg treu und beruft sich auf die etablierten Arrangements zwischen Jazz, Swing und südamerikanischen Rhythmen, welche die Produktion in ein soundtechnisch überzeugendes Gewand hüllen. Die verwendeten Soundeffekte bewegen sich auf dem heutigen Standard und schaffen es problemlos, den einzelnen Szenen zusätzlich Kontur zu verleihen.
Thomas Balou Martin kommt zum wiederholten Mal als Erzähler zum Einsatz und weiß auch dieses Mal zu überzeugen. Engelbert von Nordhausen gibt den ungeliebten Fiesling und zeigt, wie vielfältig seine Stimme zum Einsatz gelangen kann und immer auf der Habenseite eines Hörspiels zu verbuchen ist. Gordon Piedesack, Clemens Gerhard und Heiko Grauel agieren mittlerweile als eingespieltes Team und bereichern dieses Hörspiel einmal mehr. Als einzige Fehlbesetzung vom Alter her erweist sich leider Kornelia Boje: Wenn eine weibliche Figur als ausgesprochen junggeblieben charakterisiert wird, passt die Stimme einer schon wesentlich älter klingenden Frau nicht dazu. Das nur als minimale Kritik am Rande, in der Summe bleibt ein weiteres ansprechendes Hörspiel innerhalb einer hochwertigen Krimireihe.