Taktisch anspruchsvolle und ausgeklügelte Missionen, verknüpft mit einer tollen Geschichte, machten Teil 1 im Jahr 2001 auf dem PC zu einem Überraschungshit und einem der besten Taktikshooter aller Zeiten. Kann "Dragon Rising" an das legendäre Original anknüpfen?
Gleich vorneweg für alle jene, die mit "Operation Flashpoint" aus dem Jahr 2001 nichts anfangen können: Der Spielablauf ist wesentlich gemächlicher und taktischer positioniert als bei vergleichbaren Shootern. Auch finden die Scharmützel meist in Entfernungen von 100 – 300 Metern zu den feindlichen Kombattanten statt. Zum Einsatz kommt dabei ausschließlich real existierende Bewaffnung und die Flugbahn der Projektile wird physikalisch korrekt berechnet.
Während die "Call of Duty"-Reihe von den zahlreichen gut inszenierten Skript-Ereignissen lebt sowie vom Anspruch schnell in den Zentrum des Konflikts vorzustoßen und dort "aufzuräumen", sind die Spieler in "Operation Flashpoint" dazu angehalten sich schrittweise voranzutasten. Hier gilt es umsichtig zu flankieren und bei Feindkontakt schnell und präzise zuzuschlagen. Während sich im Original aus dem Jahr 2001 die Balance zwischen Fahrzeugmissionen zu Lande, zu Wasser und in der Luft noch auf einem sehr ausgeglichenen Niveau befand, liegt der Fokus bei "Dragon Rising" eindeutig auf den Scharmützeln per pedes. Als Anführer eines insgesamt vierköpfigen Infanterie-Squads darf in nur zwei von den 11 Missionen der Kampagne ein Humvee gesteuert werden (wenn auch mit einer äußerst trägen Kamera). Erst in der letzten Mission kann als Hubschrauberpilot die Lufthoheit der Insel erobert werden. Von den aus dem Original bekannten Panzergefechten und Patrouillenfahrten mit Geschützbooten fehlt in "Dragon Rising" leider jede Spur. Die Geschichte der "Causa Skira" rund um Territorialansprüche zweier Großmächte an eine Insel ist schnell abgehandelt und wird gleich zu Beginn in Form eines collagenartigen Intros mit Fotos und Texteinblendungen erzählt. Zwar bildet dieser Territorialstreit zwischen Russen und Chinesen – und den Amerikanern in Folge eines russischen Hilfegesuchs mittendrin – einen durchaus glaubwürdigen Hintergrund; eine fesselnde Geschichte wie beim ersten Teil fehlt allerdings. Möglichst geringe Erwartungen sollte auch der Intelligenz der Mitstreiter entgegen gebracht werden: Statt dem durch Feindbeschuss darniederliegenden und auf Sanitäter-Hilfe angewiesenen virtuellen Alter-Ego aus der Bredouille zu helfen, lassen die Kameraden den lieben Kommandanten oftmals lieber hilflos verbluten. Befehle hochaktive MG-Nester mit Sperrfeuer zu belegen werden da ebenso gerne ignoriert wie Anweisungen feindliche Stellungen zu flankieren; die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Funktioniert die KI der Kameraden hingegen, spielt sich die Kampagne (bestehend aus 11 Missionen und rund 8 Stunden Spielzeit) durchaus spannend. Die Atmosphäre ist zwar teils richtig stimmig, der erzählerische Rahmen und die Inszenierung jedoch spartanisch: Eine Identifikation mit den Einsatzmotiven, dem Protagonisten oder den Kameraden findet nicht statt. Keine Gesichter, keine Gefühle, kein Grauen – war dies der Grund für die milde USK 16 Einstufung der deutschen Version? Dann lieber USK 18 und eine richtige Story mit "echten" Emotionen! Letztere dürfen höchstens vom Coop-Modus erwartet werden, da die Kampagne mit bis zu 3 Freunden durchspielt werde kann. Alternativ dazu besteht die Möglichkeit sich in Online-Scharmützeln in Standard-Multiplayer Varianten wie Capture the Flag oder Deathmatches mit bis zu 7 Mitspielern zu messen. Echte Gefühle, meist jedoch wohl verursacht durch Wutausbrüche, vermag der Multiplayer in der derzeitigen Fassung auszulösen, da Verbindungs- und Loginprobleme geneigte Online-Kombattanten an den Rand des Nervenzusammenbruchs treiben. Ein baldiger Patch dürfte hier Not tun. Leider wird nach "Armed Assault 2" und jetzt mit "Operation Flashpoint: Dragon Rising" ein weiteres Mal veranschaulicht, dass die rechtzeitige Einhaltung eines Release-Termins für viele Publisher noch immer vorrangig ist und Bugfreiheit, Spielstabilität und eine ausgereifte KI ein weit geringerer Stellenwert zugemessen wird.
Apropos KI: Während sich das virtuelle Gehirnschmalz der Kameraden auf einem erschreckend niedrigem Niveau bewegt, glänzen die Gegner durch Unberechenbarkeit und Schläue. Und gerade die Herausforderung von fordernden Einsätzen und intelligenten Gegnern gepaart mit dem Gelingen von taktisch schwierigen Einsätzen retten "Dragon Rising" vor einem Desaster.
Anders als die Kameraden-KI und im Gegensatz zum limitierten verfügbaren Fahrzeug-Fuhrpark brauchen sich die Soundeffekte nicht zu verstecken: Authentisch und voll gehen die Geräusche sehr schön ins Ohr und tragen gut zur beklemmenden Atmosphäre bei. Insbesondere Besitzer von 5.1. Sound-Systemen dürfen sich über realistisch anmutende Querschläger-Sounds oder im Boden einschlagende Projektile freuen, die das virtuelle Alter Ego knapp verfehlen.
Auch das Handling per Gamepad funktioniert sehr gut. All jene mit dem Wunsch nach größerer Präzision sei der PS3 Frag VX Maus-Controller ans Herz gelegt. Frei belegbar ist die Steuerung in keinem Fall, ein weiterer Punkt der in einem der folgenden Patches wett gemacht werden sollte.
Die optische Präsentation ist – exemplarisch für das gesamte Spiel in der ungepatchten Verkaufsfassung – ein zweischneidiges Schwert. Verwaschene Texturen und grob ausgelöste Spielfiguren stehen einer üppig inszenierten Vegetation und schönen Lichteffekten gegenüber. Aus Performance-Gründen werden Pflanzen und Gräser in der Ferne komplett ausgeblendet, was den taktischen (aber wohl nicht beabsichtigten) Vorteil hat, weiter entfernte im Gebüsch befindliche Gegner einfacher ausmachen zu können. Auch stören unschöne Popup-Effekte sowie die nichtmöblierten und daher völlig unglaubwürdig erscheinenden Häuser die Atmosphäre des Titels.
Zur Insel Skirma: Diese ist zweifelsohne riesig. Für das Gameplay besitzt die geographische Größe jedoch keine Relevanz, da ein Verlassen des durch Wegpunkte gekennzeichneten Missionsbereichs mit gähnender Leere bzw. mit einem erzwungenen Neuanfang (ab dem letzten Checkpoint) bestraft wird. Die meisten Missionen sind unter Zeitdruck zu absolvieren, Erkundungstouren auf eigene Faust sind hier nicht vorgesehen.
Fazit: Das Niveau des Originals kann nicht erreicht werden. "Operation Flashpoint: Dragon Rising" in vorliegender Fassung ist ein mittelmäßiger Taktik-Shooter mit einigen gute Momenten, aber vor allem mit viel verschenktem Potential.