Forza 3 und GT5 sind auf den jeweiligen Konsolen die unangefochtenen Genrekönige. Bis jetzt, denn EA hat es sich zum Ziel gesetzt die Könige zu entthronen.
Der Motorsport ist ein hartes
Gewerbe. Sowohl in der Realität als auch virtuell gilt: je prestigeträchtiger die Rennserie, umso dünner wird die Luft am hartumkämpften Podium. Mit Forza 3 und GT5 sitzen routinierte Regenten am Thron des Renngenres. Viele haben versucht mit den beiden Titeln zumindest gleichzuziehen und sind gescheitert.
Generell wurde virtueller Motorsport in den letzten Jahren zwar konsequent
weiterentwickelt, aber eine echte Revolution oder zumindest Innovation suchte man vergeblich. Natürlich freut es den Spieler immer schönere Boliden über immer beeindruckendere Strecken noch einen Hauch realistischer zu peitschen. Im Grunde hat sich aber an der Kernmechanik nicht viel geändert und die Spielerfahrung wurde somit nicht grundlegend verändert.
Die neu erstarkte
"Need for Speed" Franchise läßt aber seit einiger Zeit aufhorchen und bringt frischen Wind in abgashaltige Wohnzimmer. Mit der Neuauflage des simulationslastigen "Shift" trennt man sich auch im Namen endgültig von der "Need for Speed" Formel. "Shift 2: Unleashed" nennt sich das neue Rennpferd im Stall von EA und es läßt ordentlich die Muskeln spielen. Schon der Einstieg weiß zu gefallen. Als Spieler wird man nicht unnötig mit ach so einsteigerfreundlichen und billigen Familienkutschen gequält, mit denen man sich mühsam die Karriereleiter emporschleppt. Die Entwickler setzen einen sofort hinter das Steuer von ordentlichen Autos. In zwei Rennen wird so das eigene Können ermittelt und das Spiel passt daraufhin Schwierigkeitsgrad und Rennhilfen an.
Neben den üblichen Schnelles-Rennen-Modi ist die Karriere das Herzstück des Spiels. Jedes
gefahrene Rennen bringt Erfahrungspunkte, die sich im Erfahrungslevel widerspiegeln. Dabei ist das System ziemlich komplex, fast schon rollenspielartig. Denn nicht nur Podiumsplätze bringen Erfahrungspunkte, sondern auch saubere Runden, Windschattenfahren, schöne Überholmanöver, perfekt gemeisterte Kurven oder fahren auf der Ideallinie. Somit ist Gewinnen nicht mehr zwingend die Hauptmotivation für die Teilnahme an einem Rennen und man gibt sich sichtlich Mühe besser zu fahren. Mit steigendem Level werden unterschiedliche Wettbewerbe freigeschalten. Neben normalen Rennen sind unter anderem auch Drift-Herausforderungen oder Eliminator-Rennen vertreten. Die Krönung der eigenen Karriere ist der erste Platz in der GT-Meisterschaft.
Die Karriere ist
motivierend aufgebaut. Bei den Autohändlern warten insgesamt 145 Rennboliden darauf über 30, teils imaginäre, Strecken gejagt zu werden. Simulationsfans benötigen hierfür korrekte Fahrphysik und entsprechende Tuningmöglichkeiten. Beim Tuning bleiben eigentlich keine Wünsche unerfüllt. Gewonnenes Geld wird in neue Teile investiert und die optimale Abstimmung kann in mühevoller Kleinstarbeit gefunden werden. Bei der Fahrphysik ist "Shift 2" leider noch nicht am Zenit angelangt. Immer noch neigen die Boliden zum übersteuern und sind generell sehr sensibel zu fahren. Kleinste Fehler ziehen oft schon fatale Folgen nach sich, die von der sehr aggressiv aggierenden Gegner-KI noch provoziert und brutal ausgenützt werden. Auch die KI hat ihre Macken, ist im Allgemeinen jedoch herausfordernd, im positiven Sinn.
Schon im Vorgänger war das Rennerlebnis auf der Strecke intensiv. Dieses Gefühl wurde
mit der neuen Helmkamera jedoch enorm verstärkt. Jede Bodenunebenheit überträgt sich auf den Helm, jeder Rempler mit Gegner läßt das Sichtfeld verschwimmen und hohe Geschwindigkeiten und Fliehkräfte erzeugen einen Tunnelblick. Dabei bleibt die Helmkamera zu jeder Zeit optimal spielbar. Näher am "Mittendrin" war man bisher noch nie! Auch das ausgebaute Schadensmodell kann völlig überzeugen, genauso wie die verbesserte Grafikengine aus der betagten Konsolenhardware erstaunliche Effekte zu zaubern vermag.
Trotz des hohen
Simulationsanspruchs wurde es leider verabsäumt Benzinverbrauch, Reifenabnutzung und somit Boxenstops zu implementieren. Auch ein dynamisches Wettersystem und Tag/Nachtwechsel vermisst man schmerzlich. Zwar fährt man zu unterschiedlichen Tageszeiten, die aber immer vorgegeben sind. Eine echte Ohrenfreude wiederum sind die satten Motorensounds, die einem kräfig aus den Boxen entgegenplärren und auch der Lizenzsoundtrack gefällt.
Die eigentliche Innovation versteckt sich aber auf einer Metaebene des Spiels. Wie schon im aktuellen
"Hot Pursuit" wurde auch das AutoLog-System integriert und es ist erneut ein fast schon süchtigmachender Motivator. In jedem Rennen fährt man somit nicht nur gegen die KI-Gegner, sondern auch immer gegen Freunde. Epische Kämpfe um hundertstel Sekunden sind die Folge und "Shift 2" kann damit auch weit über den Karriere-Modus hinaus begeistern. Natürlich ist es auch möglich in Echtzeit gegen Freunde in diversen Onlinewettbewerben anzutreten, die leider aber schnell in wilde Zerstörungsorgien entarten.
Fazit:
Ob "Shift 2: Unleashed"
sich die Krone aufsetzen darf? Zumindest noch nicht jetzt. Es stimmt, die Rennen sind Adrenalin pur und der Simulationsanteil stimmt, aber es fehlt noch der letzte Schliff. Vor allem abseits der Strecken, im umständlichen Menü-Dschungel, und im Online-Modus hat die Konkurrenz noch die Nase vorne. Aber EA´s neustes Rennpferd hat sich zu einer echten Alternative entwickelt und ist bisher das Rennspiel-Highlight 2011!
