Wie oft mussten sich junge, schöne Künstlerinnen des Vorwurfes erwehren, dass sie primär nicht wegen ihrer Musik, sondern aufgrund ihres Körpers die Seiten in den Medien füllen würden. Beth Ditto kann über derlei Kritikpunkte sicher nur lachen: Sie ist fett, lesbisch, und gerade dabei, barocke Körper wieder salonfähig zu machen.
Wie oft mussten sich junge, schöne Künstlerinnen des Vorwurfes erwehren, dass sie primär nicht wegen ihrer Musik, sondern aufgrund ihres Körpers die Seiten in den Medien füllen würden. Beth Ditto kann über derlei Kritikpunkte sicher nur lachen: Sie ist fett, lesbisch, und gerade dabei, barocke Körper wieder salonfähig zu machen. Vor allem aber ist sie die Sängerin von GOSSIP, deren aktuelles, von Rick Rubin produziertes Album „Music For Men“ den Rock erneuerte. Zudem ist Dittos tiefe, voluminöse und erstklassige Stimme über jeden Zweifel erhaben. So ist es denn auch kein Wunder, dass der Hamburger Stadtpark (Kapazität ca. 4000 Seelen) zum GOSSIP-Tourabschluss 2010 seit geraumer Zeit restlos ausverkauft war.
Aus allen Bevölkerungsschichten (jung, alt, ausgeflippt, bieder, Alternative- oder Mainstream-Fans) waren „Abgesandte“ gekommen, um Beth Ditto zu sehen. Der ulkig-kultige Auftritt bei Thomas Gottschalk hatte ein Übriges getan. Die fröhlich-herzliche Unbekümmertheit, die sie auch auf dem „Wetten, dass...“-Sofa gezeigt hatte, war definitiv keinesfalls gespielt. Ditto ist so. Gleich zu Konzert-Beginn fegt die Leibhaftige wie ein energiegeladener Irrwisch über die Bühne, stimmt (mehrmals) mit liebreizender Urgewalt den Refrain von „Here comes the sun“ von den Beatles an. Eine Anspielung – es hatte den gesamten Tag geregnet, nun sollte die Sonne durchscheinen. Obwohl Ditto die Hitze nicht mag, sondern den Regen liebt, wie sie zwischen den Songs anmerkte. Gitarrist Brace Paine und Drummerin Hannah Billie waren subjektiv lediglich Statisten in der „One-Woman-Show“ von „Pokerface“ Ditto, die den Applaus permanent mit einem „Da-Da-Dankeschön“, angelehnt an den Lady Gaga-Hit, quittierte. Doch nicht nur die Stimmung, auch der Sound war klasse; GOSSIP hatten zusätzlich einen Live-Bassisten zur Verstärkung mitgebracht. Insgesamt gab es 75 Minuten Performance ohne Langeweile, in denen Ditto ständig vor der Bühne auf der Grünfläche umherstolzierte. Während sie „Dimestore Diamond“ sang, ging sie gar zur Biertheke links vorne neben der Bühne, ließ sich ein Getränk reichen, prostete mit den Umstehenden. Das Publikum tanzte währenddessen, reichte der Sängerin Hut, Regenschirm, Blumen. Als endlich „Standing In The Way Of Control“ (vom gleichnamigen 2006er Album) durch die Verstärker schallte, erreichte die Stimmung schließlich ihren Zenit. Wer im Zugabeteil nun mit weiteren GOSSIP-Krachern gerechnet hatte, wurde abermals überrascht. Zuerst intonierte Ditto Tina Turners „What´s Love Got To Do With It“. Dann bot sie a capella, als Liebeserklärung an ihr Publikum, eine wirklich überzeugende Version von Whitney Houstons „I Always Will Love You“. Im Gegensatz zur oft gescholtenen Original-Interpretin traf sie jeden Ton perfekt – nicht nur bei diesem Song. Die richtigen Worte fand Ditto zudem für ein Mädchen in der ersten Reihe vor der Bühne. „Gründe eine Band! Versprich es mir! Ich werde dein größter Fan sein!“ Anschließend verließen die Musiker unter tosendem Applaus der Menge die Spielwiese der Emotionen. Was für ein Abend! Als ein Großteil der BesucherInnen bereits vom Gelände gegangen war, brandete plötzlich noch einmal Jubel durch das Grün der Bäume. Ditto war abermals zurückgekehrt, um der kleinen Dame einen Zettel mit ihrer Email-Adresse zuzustecken. Eine großartige Geste, eine grandiose Musikerin! Selten hat die Hansestadt eine so sympathisch-menschliche Künstlerin ohne Allüren oder Zickigkeit in ihren Stadtgrenzen begrüßen dürfen!
Text und Foto: Ralf G. Poppe
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