Als selbst das Betteln nicht mehr zum Leben reicht, trifft der junge Krabat eine folgenschwere Entscheidung, die sein ganzes weiteres Leben bestimmen soll.
Es sind schwere Zeiten! Die finanziellen Mittel reichen hinten und vorne nicht, um die Familie des jungen Krabat zu ernähren. Es ist keine Seltenheit, dass die Familie hungert und friert. Krabats Vater sieht sich zu immer härteren Maßnahmen gezwungen, um über die Runden zu kommen. Selbst als man Krabat zum Betteln schickt, reicht das nicht für eine ordentliche Mahlzeit auf dem Tisch aus. Als Rettung seiner Lieben vor dem Hungertod trifft der junge Mann eine schicksalshafte Entscheidung, er beschließt in der Teufelsmühle das Müllershandwerk zu lernen.
Das ist jedoch nicht die einzige Ausbildung, die der dortige Müller seinen Lehrlingen zuteilwerden lässt – am Abend unterweist er sie nämlich in den dunklen Künsten der Magie. Was zunächst eine willkommene Abwechslung zum harten Arbeitsalltag darstellt, erweist sich alsbald als Gefahr für Leib und Leben, denn die Lektionen in der Zauberei haben ihren Preis: Einen Pakt mit dem Teufel. Einen solchen hat auch der Müller geschlossen, jedes Jahr muss einer der Lehrlinge sterben, um sein Leben zu verlängern. Immer trifft es jenen, der sich am geschicktesten im Umgang mit der Magie zeigt. Krabat befindet sich urplötzlich in Lebensgefahr.
Vielen dürfte die Geschichte des Zauberlehrlings Krabat durch den Roman von Otfried Preußler bekannt sein, auf dem auch die Verfilmung aus dem Jahr 2008 beruht. Im Hause Titania hat man beschlossen seiner Linie treu zu bleiben und eine ältere, auf Sagen beruhende Vertonung zu erschaffen. Ein ambitioniertes Projekt, das jedoch in allen Belangen als erfolgreich bezeichnet werden darf. Die Bearbeitung Preußlers endet etwa in der Mitte der eigentlichen Sagenerzählung und spart das komplette Erwachsenenleben Krabats komplett aus. Es gelingt, das Unheimliche und Bedrohliche der Lehrjahre in der Teufelsmühle geschickt einzufangen und eine düstere und spannende Geschichte zu entfalten, in deren dichter Atmosphäre man mehr als nur einmal um den jungen Zauberer bangt.
Die zweite Hälfte des Hörspiels dürfte für viele Hörer Terra incognita sein. Hier erfahren wir mehr, wie es Krabat nach der Rückkehr zu seiner Familie ergeht und welche Abenteuer im späteren Verlauf noch auf ihn warten. Tatsächlich ist dieser Part von einigen durchaus heiteren Momenten durchzogen, die gelegentlich zum Schmunzeln einladen und die Situation auflockern. Nichtsdestotrotz präsentiert sich die Geschichte Krabats als von einer gewissen Tragik durchzogen, die bis ins hohe Alter und dem Lebensende anhält, stets sieht er sich mit Vorurteilen und Ablehnung aufgrund seiner Fähigkeiten konfrontiert – ein immer noch brandaktuelles Thema, das nichts an Bedeutung eingebüßt hat. Es gelingt dem Label, die Vielschichtigkeit der Sage einzufangen, was mit einem Menschen geschehen kann, wenn er anders ist als andere und nicht den Normen einer Gesellschaft entspricht.
Obwohl sich Titania einer eher altmodischen Sprache bedient, sind die Dialoge überzeugend angelegt und trotz der üppigen Laufzeit von über 80 Minuten gibt es keine Längen oder überflüssige Szenen. Auf dem Gebiet des Sounddesigns hat man sich einmal mehr übertroffen, denn gerade die finsteren Momente im dunklen Wald und in der Mühle gehören ohne Zweifel zu den überzeugendsten Inszenierungen der letzten Jahre. Natürlich lässt auch die musikalische Bearbeitung kaum Wünsche offen und so passen die ausgewählten Kompositionen immer zu den gerade geschilderten Ereignissen.
Immer dann, wenn sich Titania anschickt etwas Außergewöhnliches zu kreieren, ist der Cast oft mehr als nur fulminant. "Krabat" macht hier definitiv keine Ausnahme. Beginnend mit Peter Weis als Erzähler, der einen binnen Sekunden in ein anderes Jahrhundert zu entführen mag, über Tom Raczko, welcher zu jeder Zeit als Krabat zu überzeugen weiß, über die vielen weiteren tollen Stimmen, die dieses Hörspiel bereichern, wie etwas Horst Naumann, Regina Lemnitz, Edda Fischer, Max Schautzer, Axel Lutter oder Sascha Wussow. Eine erfrischend neue und überzeugende Bearbeitung eines bekannten Stoffs, die in allen Belangen zu punkten weiß. Platz eins auf dem Siegertreppchen!