Nichts geht über die Familie – und erst recht nicht über "Marvel`s First Family"!
Bei der Ehre, die dritte deutschsprachige Marvel-Sammelreihe von Hachette einzuläuten, mussten sie noch
Spider-Man den Vortritt lassen, doch mit dem vorliegenden Band ist es so weit: "Fantastic Four" 1, mit Coverdatum November 1961 am 8. August in den Handel gelangt, läutete nicht nur eine neue Ära für den Verlag ein, der noch nicht den offiziellen Namen Marvel Comics trug, sondern auch den gesamten US-Markt. Obwohl DC einige Jahre vorher das "Silver Age of Comics" initiiert hatte, war es der ab nun unaufhaltsam an die Verkaufsspitze drängende Konkurrent, der einen radikal anderen und ebenso simplen wie genialen Zugang zum Genre fand: Superhelden müssen Superprobleme haben.
Bisher rangen wackere Heroen allenfalls mit Schurken, nun teilweise miteinander: Das beste Beispiel dafür und der Star unter der begeisterten Leserschaft war Ben Grimm, den die komischen Strahlen zwar ebenso wie Reed Richards, seiner Verlobten Susan Storm und deren Bruder Johnny gewaltige Kräfte verliehen, aber ihn zum Monster machten. Solche hatte es bei Marvel zuletzt nur als Bösewichte gegeben, das Ding aber führte nun nicht nur einen Kampf gegen die Gegner der Fantastic Four, sondern auch gegen die eigene Wut über ein vermeintlich ungerechtes Schicksal. Selbstzweifel und Streitereien waren beständiger Teil der ersten Heldenfamilie überhaupt und ein wesentlicher Faktor ihres Erfolgs.
Während die Fantastischen Vier in dieser Hinsicht und nicht zuletzt, was das Abrücken vom monotonen Bild des klassischen "mad scientist" hin zum heroischen Wissenschaftler in Person von Mister Fantastic betrifft, völlig neue Wege gingen, offenbaren die ersten fünf hier abgedruckten Ausgaben von "Fantastic Four", wie sehr sich der Titel zunächst noch aus dem bis dahin für Atlas/Marvel prägenden Fundus an Geschichten über Ungeheuer und Invasoren aus dem All bediente – der erste Auftritt der Skrulls (Heft 2) oder die bloße Existenz eines Monster Island genannten Insel sprechen hier Bände.
Nicht minder amüsant gerät der für jene Epoche geradezu unterhaltsam naive Umgang mit Radioaktivität, die hier zwar nicht für die Kräfte der FF sorgt, sehr wohl aber zu skurrilen Episoden wie einer vom Militär abgefeuerten Rakete mit Atomsprengkopf direkt über einer bewohnten Stadt, einen sogenannten Atompanzer oder eine auf Ben Grimms Rücken geschnallte A-Bombe führt. Interessant ist natürlich auch, dass Sue Storm im Vergleich zu anderen Heldinnen der Zeit nicht primär als nettes Anhängsel der Männer um sie herum dient, aber trotzdem zwischendurch als "damsel in distress" dient, sei es als designierte Braut wider Willen von Namor in Heft 4 oder Geisel von Doctor Doom in Heft 5.
Besagte Herren stellen neben den Skrulls auch die prominentesten Schurken dar, mit denen sich die Fantastic Four zu Beginn auseinandersetzen mussten – im Fall des Sub-Mariners wurde hier zum ersten Mal eine clevere Verbindung zum "Golden Age" hergestellt, schließlich hatte der hitzköpfige Bewohner bereits damals die Meere (un)sicher gemacht. Es lohnt sich also in vielerlei Hinsicht, die hier versammelten Storys über den ungemein charmanten Unterhaltungswert hinweg genau zu lesen, um etwa zu entdecken, dass die FF zunächst in der fiktiven Stadt Central City logieren oder warum erst im zweiten Heft explizit erwähnt wird, dass der Flug des Quartetts im All dem Erreichen des Mars dienen sollte (die Auflösung dieses Rätsels findet sich übrigens in den beiden abgedruckten Seiten aus Stan Lees Skript zur Debütausgabe).