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Midnight Tales 16

Bens vielfältigen Probleme machen ihn an jeder neuen Schule zum Außenseiter. Nur die rebellische Wendy findet Zugang zu dem verstörten Jugendlichen.

Midnight Tales 16Bens Kindheit verlief anders als die eines normalen Teenagers. Nach mehr als einem halben Jahrzehnt in der Jugendpsychiatrie, wo man mit einem Füllhorn an Medikament seinen Geist wieder geradezurücken versuchte, kehrt er nun erstmals an eine reguläre Schule zurück. Doch bereits der erste Tag endet in einem Fiasko, von seinen neuen Mitschülern fühlt sich Ben in der Vorstellungsrunde dazu getrieben, sich direkt als Sonderling und Außenseiter zu brandmarken, indem er von seiner Krankengeschichte berichtet. Sein damit einhergehender emotionaler Ausraster beschert ihm einen Besuch beim Direktor. Im Wartezimmer begegnet er Wendy, die ebenso zu jenen Schülern zählt, die von den Klassenkameraden gemieden werden. Mit ihrem rebellischen Auftreten richtet sie sich gegen sämtliche gesellschaftliche Konventionen an ihrer Schule.


Trotz ihrer Verschiedenheit verstehen sich die beiden Einzelgänger von der ersten Minute an prächtig. Tatsächlich bringt es Wendy zuwege, dass sich Ben ihr gegenüber öffnet und davon berichtet, was ihm in der Vergangenheit zugestoßen ist und ihn derartig verändern konnte. Kann es wirklich sein, dass Ben von seinen Eltern gezwungen wurde in einem Spukhaus zu leben? Wendy ist von dem Gedanken gleichermaßen abgestoßen wie fasziniert und so berichtet auch sie von ihren äußerst schwierigen Lebensumständen. Nach und nach wächst in den beiden ein Plan heran, der unter ihre Leidensgeschichte endgültig einen Schlussstrich ziehen soll.


Wenn man die "Midnight Tales" mit wenigen Worten beschreiben möchte, zählt Berechenbarkeit sicherlich nicht zu den dafür in Frage kommenden Vokabeln. Ein weiteres Mal beschreitet man innerhalb der weit gesteckten Parameter der Reihe neue Pfade und wendet sich einem bisher kaum berücksichtigten Genre zu. "Kindheits-Trauma" ist sicherlich keine Story, die einem sofort in den Sinn kommt, um den Begriff Mystery zu klassifizieren. Es handelt sich nämlich eindeutig um ein Jugenddrama, das menschliche Abgründe offenlegt und zeigt, dass das schlimmste vorstellbare Monster letztendlich der Mensch und somit dieses Ausnahmehörspiel unter dem Banner der Serie bestens aufgehoben ist.


Mit "Kindheits-Trauma" bietet Contendo nicht nur erstmals dem Drama ein Forum, sondern öffnet sich dabei auch einmal mehr wie ganz selbstverständlich einer neuen Erzählstruktur. Man konzentriert sich fast ausschließlich auf die Dialoge zwischen den beiden Hauptfiguren. Mit jedem Gespräch schält sich eine weitere Schicht vom Kern jener Ereignisse, die Ben zu dem verstörten Menschen machten, dem der Hörer hier nun begegnet. Die Dialoge werden dabei zu einer Spirale in den Abgrund, es gibt keine Gelegenheit zum Verschnaufen. Immer neue Details gelangen an die Oberfläche und lassen das Publikum mit einem Gefühl der Fassungslosigkeit zurück.


Die Grundstimmung ist düster und auf einen Lichtblick wartet man hier vergebens, wie ein Tuch legt sich Depressivität über das gesamte Geschehen. Die kurzen Rückblicke in die Vergangenheit sind eher verstörende Klangkollagen als tatsächliche Szenen, die die finstere Ausrichtung dieses Hörspiels weiter zementieren. Die Frage, in welche Richtung die Handlung sich wohl zum Ende hinbewegen wird, ist schnell zur Nebensache verkommen, eher rückt die Überlegung in den Fokus, wann dieser Ausflug in die menschlichen Abgründe endlich endet.


Wenn man eine solche Geschichte konzipiert und möchte, dass das Publikum den Weg ohne zu zögern mitbeschreitet, braucht es Dialoge, die gleichermaßen einfühlsam wie bestürzend sind und den Menschen unter die Haut gehen. Authentizität ist an dieser Stelle gefragt, gestelzte Satzkonstrukte und eindimensionale Charaktere sind hingegen Gift für die Story. Zum Glück bringt "Kindheits-Trauma" alle erforderlichen Attribute mit, um dieses mutige Hörspiel zu einem Erfolg werden zu lassen.


Glaubwürdigkeit entsteht nicht allein durch gute Dialoge, sondern in ganz ähnlichem Maße durch überzeugende Sprecher, die ihre Rollen nicht nur übernehmen, sondern mit Leben füllen. Wenn nun noch die tragenden Charaktere dieses Hörspiels von ein und derselben Person in Szene gesetzt werden, ohne dass man dies bemerkt, muss man wirklich von etwas Außergewöhnlichem sprechen. Tatsächlich übernimmt Ilka Körting sowohl die Rolle von Wendy als auch Ben und schafft das unglaubliche Kunststück, die beiden sehr verschiedenen Figuren überzeugend darzustellen. Eine Ausnahmeleistung, die man gar nicht hoch genug honorieren kann.


In den wenigen Nebenrollen agieren einige absolute Hörspielveteranen wie Sandra Schwittau, Uta Dännekamp, Santiago Ziesmer und Anna Dramski, die mit ihrem ganzen Talent und ihrer Erfahrung den positiven Eindruck dieser Episode untermauern. Julie Hoverson gelingt es innerhalb einer äußerst hochwertigen Reihe ein Ausrufezeichen zusetzen. "Kindheits-Trauma" ist sicherlich ein Aspirant für einen Platz unter den internen Top drei der Reihe.


 
# # # Justus Baier # # #



Publisher: Contendo Media


 
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