"Skandinavisches Kino", Teil 2: Ohne Musik wäre die Pubertät nur eine lange Qual…
Auch die Nummer zwei der Filmkollektion handelt von der Macht der Musik. Reza Bagher schickt in "Populärmusik aus Vittula" (2004) zwei junge Burschen aus einem kleinen Dorf an der schwedisch-finnischen Grenze auf eine Odyssee durch Freundschaft, Pubertät, Auflehnung und Widerstand. Alles beginnt als die beiden sieben Jahre alten Burschen Matti (Niklas Ulvarson) und Niila (Tommy Vallikari) gespannt auf ein schwarzes Stück Vinyl starren, das sich auf dem Plattenteller dreht und den Schriftzug THE BEATLES trägt. Ab diesem Augenblick ist das Leben der beiden völlig verändert und sie beginnen zu verstehen, dass außerhalb der Grenzen ihres Dorfes eine ganze Welt im Verborgenen liegt, die viel mehr zu bieten hat als ihnen bisher klar gewesen ist. Seither wächst in ihnen das Gefühl aus den Konventionen des Dorfes und den traditionellen Strukturen ausbrechen zu müssen.
Als die beiden 15 Jahre alt sind, betritt eine ähnlich wegweisende Erscheinung, wie es die BEATLES Platte gewesen ist, die Dorfbühne. Es ist der Musiklehrer Greger (Björn Kjellman) und mit seiner lebensfrohen Art, seiner unendlich positiven Ausstrahlung und Begeisterung für moderne Musik, der schnell die Sympathie der jungen Revoluzzer gewinnt. Greger schafft neue Instrumente an und die mittlerweile voll in der Pubertät stehenden Matti (Max Enderfors) und Niila (Andreas af Enehjelm) haben endlich ein Ventil für ihren Drang nach Andersartigkeit und ihren Kampf gegen die monotonen Dorftraditionen gefunden.
Nach kurzer Zeit bringen es die beiden mit ihrer im Dorf bisher weitgehend unbekannten Musikrichtung zu ersten Konzerten bei Festen und Familienfeiern. Die gemeinsame Musik kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen den beiden ein immer größer werdender Abstand entsteht, der ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellen wird. Mit viel Humor und einer ordentlichen Portion Slapstick bringt Reza Bagher seine gefühlvoll überzogen dargestellten Figuren dazu, eine Geschichte über Freundschaft und Erwachsenwerden zu erzählen und zu zeigen, dass Musik dabei eine ungemein wichtige Rollen spielen kann.
Eine perfekte Kombination aus Humor mit tragischem Beigeschmack und ein wenig Kritik an der kulturxenophoben Dorftradition macht diesen Film zu einem der Gründe, warum Skandinavien in der Filmwelt ein so hohes Ansehen genießt. Vor allem Kay Pollaks "Wie im Himmel" und Reza Baghers "Populärmusik aus Vittula", Lukas Moodyssons "Fucking Åmål" (1998) und "Lilja 4-ever" (2002), aber auch Josef Fares "Jalla! Jalla!" (2000) und "Kops" (2003) waren Filme mit tragischem und feinfühligem Humor, die, vermischt mit grotesken und sozialkritischen Elementen sowie einem Schuss Nostalgie, zu einem weltweiten Erfolg avancierten und von der internationalen Filmgemeinschaft begeistert aufgenommen wurden.
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