Die Feder ist mächtiger als das Schwert. Ketsuo kann mit beiden sehr gut umgehen – nicht unwichtig angesichts eines Herrschers, der jegliche Art von Kunst verfolgt.
Es kann nie genug Verlage geben, die unsere Breiten mit Comics und Graphic Novels bereichern. Zu ihnen hat sich kürzlich mit MarGravio Editor ein neuer Player gesellt, der Werke internationaler Künstler:innen quer durch verschiedenste Genres präsentiert. Unter den Veröffentlichungen zum Start findet sich auch "Samurai 2.0", das zwei Themen miteinander verbindet, welche auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen: Samurais und Graffiti. Sobald man sich aber in die Lektüre stürzt, die in eine nicht näher beschriebene Zukunft nach einem Dritten Weltkrieg führt, erweist sich Marcello Bondis Erzählung als Geschichte über ein im Kern stets aktuelles Thema.
In New-Tokyo, das Zeichner Mauro Gulma mit dynamischem Strich Form annehmen lässt, ist jedwede Kunst – und seien es Kritzeleien eines Kleinkinds – unter Strafe gestellt. Wer Stift oder Pinsel in die Hand nimmt, riskiert sein Leben, denn die Soldaten von Kaiser Oshi machen kurzen Prozess und trennen kreative Köpfe schnell vom Rest des Körpers. Ketsuo jedoch wagt es und greift zu seinem Katana, in dessen Griff sich eine Sprühdose befindet. So kann er nicht nur verbotene Gemälde erschaffen, sondern sich auch wirksam verteidigen. Das macht den Widerstand auf ihn aufmerksam, doch der Künstler mit der scharfen Klinge hat ohnehin noch eine persönliche Rechnung mit dem Herrscher offen…
"Samurai 2.0" benötigt nur wenige Seiten, um Erinnerungen an ähnliche Szenarien wie "Fahrenheit 451" oder dessen filmisches Derivat "Equilibrium" zu wecken und diese mit dem Feldzug eines (hier nicht gar so) einsamen Kriegers zu verbinden. Da sich dabei doch ein paar Leichen stapeln, eignet sich der Band vielleicht nicht für die Jüngsten in der Leserschaft, alle anderen aber dürfen beruhigt zugreifen. Wie die letzte Seite des Innenteils verrät, werden die Titel von MarGravio Editor von Amazon Fulfillment gedruckt – ein cleverer Weg für einen jungen Verlag, um dem allgegenwärtigen Kostendruck in der Produktion zu entgegnen, allerdings ein Risiko für Zustandsfetischisten, denn der einst ausgerechnet als Buchhändler gestartete Konzerngigant ist nicht gerade für stoßfeste Verpackungen bekannt.