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Spawn Compendium 1

Ist es ein Vogel? Ein Flugzeug? Nein, fast tausend Seiten Comic-Popkultur in der Größe eines Telefonbuchs!

(C) Image Comics / Spawn Compendium 1 / Zum Vergrößern auf das Bild klickenWir schreiben das Jahr 1992. Ein frisch gegründeter Verlag veröffentlicht die erste Ausgabe einer neuen Comic-Serie, von der unglaubliche 1,7 Millionen Exemplare verkauft werden. Die Rede ist von Image Comics, gegründet von sieben Starzeichnern, und der Debütnummer von "Spawn". Der Schöpfer Todd McFarlane ist einer der jungen Wilden, die dem Giganten Marvel im Streit über finanzielle Beteiligungen an ihren Schöpfungen den Rücken gekehrt und nun, zunächst noch im Verbund mit dem Publisher Malibu, einen eigenen Verlag aus dem Boden gestampft haben. Der Clou dabei war und ist, dass die unter seinem Dach unabhängig arbeitenden Künstler alle Rechte an den von ihnen geschaffenen Stoffen halten und somit auch ordentlich in Sachen Merchandise, Trading Cards und so weiter gutes Geld verdienen können.


Der junge Publisher lehrt den "Big Two" des Comic-Markts, Marvel und DC, alsbald das Fürchten und kann mitten in der Hochphase des Spekulationsbooms mit Auflagenzahlen aufwarten, die die kühnsten Vorstellungen übertreffen. Mit einigen der besten (und bestbezahltesten) Comic-Kreativen an Bord und damals revolutionärer Digitalkolorierung erscheinen neben "Spawn" Verkaufsschlager wie "Youngblood" vom berühmt-berüchtigten Rob Liefeld oder "WildC.A.T.S." von Jim Lee, der sich inzwischen zum Co-Publisher des einstigen Rivalen DC gemausert hat. Die übersprudelnde Kreativquelle Image, die Fans und Händler gleichermaßen entzückt, krankt jedoch zumeist an zwei gravierenden Problemen: Erstens den oft und gerne nicht eingehaltenen Deadlines, die Hefte oft über Monate zu spät erscheinen lassen, und mangelnden Tiefgang der Storys. Denn merke: Nicht jeder gute Comic-Zeichner ist auch ein guter Comic-Autor.


Und hier kommt der "Toddster", wie er vom geneigten Fanboy mitunter bezeichnet wird, ins Spiel. Der Mann hatte bereits mit der von Marvel extra für ihn 1990 geschaffenen adjektivlosen Serie "Spider-Man" bewiesen, dass er nicht nur extrem cooles Artwork abliefern konnte. Für "Spawn", das im Mai 1992 als insgesamt zweiter Image-Titel nach "Youngblood" an den Start geht, agiert er zunächst als Autor, Zeichner und Tuscher in Personalunion. In der Ära grimmigsten Antiheldentums, das die frühen Titel des Verlags teilweise bis zum Exzess strapazieren, passt die Geschichte von Al Simmons perfekt in den Zeitgeist. Der aufgrund eines Komplotts ermordete Elitesoldat kehrte durch ein Geschäft mit dem Höllenfürsten Malebolgia wieder auf die Erde zurück – allerdings nicht nur mit gewaltigen Kräften, sondern auch von seinem Vertragspartner übel gelinkt und mit einer Ablaufzeit versehen, die sich in einer in den Heften immer wieder auftauchenden Zeitangabe ablesen lässt.


Die Rückkehr in die Welt der Lebenden hat sich Spawn jedenfalls anders vorgestellt, besonders pikant ist die Tatsache dass der ehemals beste Freund nun mit der eigenen Frau inklusive Nachwuchs verbandelt ist. Doch nicht nur mit Problemen irdischer Provenienz sieht sich die Höllenbrut konfrontiert, sondern auch mit allerlei nicht gerade freundlich gesinnten Gestalten sowohl aus den diversen Sphären der dämonischen Unterwelt als auch den Kräften des Himmels. Die Rolle als widerwillig bewegte Schachfigur im Spiel der Kräfte behagt Spawn jedenfalls gar nicht, und so arten diverse Meinungsverschiedenheiten mitunter in blutige Gewaltexzesse allerbester Güte aus.


"Spawn" ist vorrangig ein Augenschmaus grafischer Natur, dafür sorgen die ausgefeilten und hyperdetaillierten Zeichnungen des Meisters. Kombiniert mit brillanter Kolorierung und einer zunächst rasanten und spannungsreichen Story legte die Serie los und fand zurecht eine begeisterte Anhängerschaft. Da die Strapazen als Ein-Mann-Kreativteam offenbar aber schnell ihren Tribut forderten, brachte McFarlane ab der Ausgabe 8 nicht minder berühmte Kollegen ins höllische Spiel, die als Gastautoren einsprangen: Alan Moore, Neil Gaiman, Frank Miller, "Cerebus"-Schöpfer Dave Sim (dessen Beitrag in US-Ausgabe 10 übrigens nie in deutscher Sprache erscheinen durfte) und Grant Morrison. Gemeinsam mit dem Letztgenannten feierte Greg Capullo sein Debüt als langjähriger Stammzeichner der Serie und mauserte sich vom kongenialen Epigonen zum unumstrittenen Vollender McFarlane’scher Zeichenkunst.


Der große Erfolg von "Spawn" und die Riege an Starautoren dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Serie alsbald in langwierigen und verworrenen Handlungen verstrickt. Der Verlauf der Geschichte um Al Simmons scheint sich zeitweise wie ein Kaugummi zu ziehen und bietet natürlich reichlich Anlass zur Kritik – und doch finden sich in den Nummern 1-50, die im "Spawn Compendium" nun allesamt nachgedruckt worden sind, ebenso kleine wie gemeine Perlen der Comic-Kunst: Die erste Begegnung mit der himmlischen Angela etwa oder Spawns Auseinandersetzung mit dem Klu Klux Klan seien hier stellvertretend genannt. Wenn Todd McFarlane auch nicht in die Riege der besten Autoren seiner Zunft aufgestiegen ist, so muss man ihm doch das Verdienst zugestehen, eine popkulturelle Ikone sondergleichen geschaffen zu haben. Die 984 Seiten des umfangreichen Schmökers laden jedenfalls zu einer Zeitreise in eine wichtige und stürmische Epoche der Comic-Geschichte ein, die sich in den hier unkolorierten Artworks in ihrer pursten Form inhalieren lassen. Ein Must-read für jeden, der in der großen Tafelrunde der Comic-Connaisseure ein Wörtchen mitreden will!



# # # Andreas Grabenschweiger # # #





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