Die Einwohnerzahl von Toska beträgt 63 Personen – und bis zum bluttriefenden Finale wird sie spürbar sinken.
Nach "Ein Feind" und
"Zwei Wälder", welche die im US-Original 14 Ausgaben umfassende Serie "Trees" enthielten, gibt es mit dem vorliegenden Band noch den (bisher) letzten Nachschlag der eigenwilligen Sci-Fi-Erzählung von Warren Ellis und Jason Howard über eine Welt in nicht allzu ferner Zukunft, in der riesige Aliens gelandet sind. Die Besucher aus dem Weltall beschränken sich auf süßes Nichtstun und möglicherweise bloßes Beobachten, was ihre rätselhafte Anwesenheit mit der Psyche jener anstellt, die in ihrem Schatten leben und mitunter auch sterben. Die Miniserie "Trees: Three Fates" ist dem Titel entsprechend natürlich eine Fortsetzung, hat aber abgesehen von der grundsätzlichen Prämisse keine Verbindungen zu den vorangegangenen Geschehnissen.
Während zuvor das Schicksal mehrerer Personen an verschiedenen Orten geschildert wurde, beschränkt sich der Fünfteiler von 2019/20 auf einen Schauplatz: Bei Toska in Russland handelt es sich um einen jener sprichwörtlichen Orte, in denen sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Erwähnenswert ist hier höchstens der am Ende der Zugstrecke gelegene Bahnhof, über den Personen, Waren und allenfalls Neuigkeiten aus der Außenwelt in das 63 Seelen zählende Dorf gelangen. Bevor vor elf Jahren die ominösen außerirdischen Bäume landeten, lebten hier noch 601 Menschen – inklusive des Partners von Klara Woranowa, der damals umkam. Die Chefin der örtlichen Polizei kann noch nicht ahnen, dass der Mord bei einem der Stämme, den sie aufklären muss, auch die Geister ihrer eigenen Vergangenheit aufschreckt.
Im dritten Band lässt Mr. Ellis das bekannte Figurenpersonal komplett links liegen und führt keinen der bisherigen Erzählstränge weiter, sondern etabliert einen neuen. An der Oberfläche präsentieren sich die Ermittlungen um den gewaltsamen Tod eines ins Dorf gekommenen Fremden als Krimi mit langsam ansteigendem Spannungslevel, gleichzeitig spielt die Story wohl mehr als bisher mit den Erwartungen an die Rolle der gigantischen, stummen Bewohner und was nun Realität und ihr Tun, unverarbeitete persönliche Traumata der Protagonistin oder durch zu viel Wodka induzierte Fantasien sind. Das Stellen solcher Fragen ohne Antworten mag gemein sein für alle jene, die alles offen auf dem Silbertablett präsentiert bekommen wollen, macht aber andererseits genau den Reiz von "Trees" aus.