Als man ihr ein weiteres Puzzle zum Verständnis der eigenen Vergangenheit vor der Nase wegschnappt, wird Arias Risikobereitschaft erst recht herausgefordert.
Neben dem Abdruck von vier Originalalben ist die Präsentation einer Kurzgeschichte im Rahmen der tollen Integral-Ausgabe von Michel Weylands anmutiger Abenteuerin fast schon so etwas wie eine liebgewonnene Tradition. Diesmal handelt sie allerdings nicht von Aria, sondern von ihrem in etwa zur gleichen Zeit (sprich 1979) entstandenen Pendant Adeline. Die Dame teilt nicht nur ihre blonde Haarfarbe sowie das attraktive Äußere und selbstbewusste Auftreten, sondern auch den Hang, in außergewöhnliche Situationen zu geraten, wie sich aus "Die Hochzeit in der siebten Dimension" aus "Tintin" 237 aus dem Jahr 1980 erfahren lässt.
Die stets vorzüglich aufbereiteten redaktionellen Seiten klären die Leserschaft außerdem über den Grund auf, warum der vierte Band auf Wunsch des Künstlers ein letztes Mal von der ursprünglichen Veröffentlichungsreihenfolge abweicht, bevor es streng chronologisch weitergeht. Nach dem Lesen der abgedruckten Bände 11 ("Les Indomptables", 1988), 14 ("Le Voleur de lumière", 1991), 15 ("Vendéric", 1992) und 24 ("L`Âme captive", 2002) wird die Entscheidung verständlich und nachvollziehbar, denn die thematischen Verbindungen sind nicht von der Hand zu weisen und kommen immer wieder auf die Themen Seele und Spiritualität zurück.
Selbige flossen immer wieder auch in die bisherigen Erzählungen ein, kollidieren hier aber besonders frontal mit den realen Zuständen, unter denen die Bevölkerung jener Landstriche leidet, die Aria auf dem Rücken ihres treuen Pferdes Furia besucht. Amenophar und Cirenodule heißen die Tyrannen, mit denen es diesmal direkt oder indirekt zum Kräftemessen kommt: Während die Soldaten des einen sich das Erbe unserer Reisenden unter den Nagel reißen, welches wahlweise den Schlüssel für gute Geschäfte oder zum Verständnis ihrer eigenen Geschichte darstellen könnte, hat der andere ein Land angegriffen, dessen musi(kali)sches Vermächtnis ebenso mit den Füßen getreten wird wie seine Freiheitsliebe.
Mit der durch die Rückkehr in die Nähe ihrer Heimat Tavelborg ausgelösten Geschehnisse werden einige weitere Mosaiksteine zur bisher größtenteils noch im Verborgenen liegenden Vergangenheit Arias präsentiert. Das wahrhaft lyrische Mittel, mit dem sie sich gegen die Unterdrücker von Arnolite zur Wehr setzt, ist eine ebenso subtile Metapher für die subversive Kraft der Kunst als auch die Tatsache, dass (vielleicht abgesehen von den im Sand lebenden Vampals) die hier auftretenden Bestien selten tierischer Natur sind, sondern auf zwei Beinen wandeln. In dieser Hinsicht bleibt "Aria" aller charmanten Phantastik zum Trotz näher an der Realität als man denkt und nicht nur dadurch auf vielerlei Art reizvoll.