Selten ein derart heterogenes Publikum auf einer Hardcore-Show gesehen. Alle sind sie gekommen: Vom schlaksigen Indie-Hipster bis zu den zugetaggten Bollo-Typen mit Bandana und XXX-Tattoos, die obligatorische Tough Guy-Fraktion in Shorts oder Traingshose, aber auch interessierte (eher passiv am Bühnenrand respektvoll nickende) Fanboys mit ihren Freundinnen. Schließlich steht an diesem Abend im Stuttgarter Universum Club mit TURNSTILE die Hardcore-Band der Stunde auf der Bühne – und diese will sich, die Szene, trotz all der Wut, dem Style und der Message, feiern!
Den Warm-up übernehmen die Kalifornier von FORCED ORDER, die ihre neue Heimat auf Revelation Records gefunden haben, und mit ihrem moshigen Gym-Core den launigen Anheizer geben. Die Band spielt rohen Oldschool-Hardcore, der beim Pumpen genau das richtige Aggressionspotenzial entfachen dürfte und für alle Mucki-Fetischisten an diesem Abend sicherlich eine erfrischende Neuentdeckung darstellt. Solide und spielfreudig prügelt sich der Fünfer durch das aktuelle Album "Vanished Crusade" und stellt in 25 Minuten Spielzeit klar, dass man es in Sachen Ebenbürtigkeit durchaus mit dem Hauptact aufnehmen kann.
Doch die HC-Kids sind wegen TURNSTILE gekommen, die mit "Nonstop Feeling" zweifelsfrei eines der Alben des Jahres abgeliefert haben. Und auch bei dieser Show kommt man an den der Band anhaftenden Attributen abwechslungsreich, sympathisch und mitreißend nicht herum. Mit ihrem hochmelodischen, druckvollen und erfrischendem Hardcore Punk benötigen die Jungs nur wenige Takte, um die Menge in ein Meer aus Armen und umherfliegenden Körpern zu verwandeln. So muss das aber auch aussehen, wenn eine Fanbase gemeinschaftlich eine Band feiert – wir sind hier schließlich nicht bei ESKIMO CALLBOY.
Bei einem knapp 30-minütigen Set bleibt natürlich kein Platz für lange Ansagen, dennoch nimmt man Frontmann Brendan jedes gesungene Wort ab. Den gekonnten Spagat aus Härte, Sympathie und Nahbarkeit treffen ohnehin nur wenige Bands, die sich Authentizität auf die Fahne geschrieben haben. Besonders der charismatische Bassist Freaky Franz verausgabt sich vollends. Shouter Brendan stagedivet mit seinen Anhängern um die Wette und auch das Mic verirrt sich zwischenzeitlich immer irgendwo in der ersten Reihe. Hits wie "Gravity" "Blue by You" oder "Drop" sitzen, der Sound knallt, die hochgradig eingängigen Songs sind auch für Nichteingeweihte nachvollziehbar und mitreißend.
Den Plan, den die Band aus Baltimore zielstrebig verfolg, Spaß zu haben, wird ohne Kompromisse durchgeführt. Was nach diesem großartigen Abend bleibt: Durchgeschwitzte Longsleeves in feschen Designs, zufriedene Gesichter, ein (völlig zu Recht) leergekaufter Merch-Stand und die bekräftigende Bestätigung, dass man sich um klassischen Hardcore keine Sorgen machen muss, solange es Bands wie TURNSTILE gibt.