Wer sich im Dunstkreis von Jessica Blandy bewegt, hat meistens ein absehbares Haltbarkeitsdatum – egal ob Freund oder Feind.
Connaisseure frankobelgischer Comics werden wohl keinen Einspruch erheben, wenn man "Jessica Blandy" als modernen Klassiker bezeichnet, schließlich schilderten Autor Jean Dufaux und Zeichner Renaud Denauw die Abenteuer der namensgebenden Protagonistin in schonungsloser Hardboiled-Manier inklusive Gewaltszenen und nackter Haut. In deutschsprachigen Gefilden konnte die im Original von 1987 bis 2006 erschienene Serie allerdings nicht wirklich Fuß fassen, denn es blieb bei einem einzigen Band, der 1992 bei Ehapa erschien. Und so wie auch bei
"Strangers in Paradise" oder
"Druuna" bedurfte es wieder einmal Schreiber & Leser, um diesen Schatz in seiner Gänze auch für den hiesigen Markt zu heben.
Nachdem der Verlag von 2010 bis 2014 alle 24 Kapitel in insgesamt sieben Hardcover-Bänden veröffentlicht hat, ist vor kurzem mit "Jagd auf Jessica" der erste Band des Spin-offs erschienen, das ebenfalls vom ursprünglichen Kreativteam gestaltet wird. Darin sind mehrere Personen auf der Suche nach Jessica Blandy, die wie vom Erdboden verschluckt scheint, allen voran ein als Auftragskiller arbeitendes Vater-Tochter-Gespann, das einen ebenso hohen Body Count zu verantworten hat wie eine Dame namens Blanche, die eine Vorliebe für Spritzen mit tödlichem Inhalt hegt. Während viele weitere, die in die Geschehnisse involviert sind, schnell das Zeitliche segnen, ist Jessica selbst auf der Suche nach ihrem Adoptivsohn Rafaele.
Zur Beruhigung aller, die die Hauptserie nicht kennen, sei gesagt, dass deren Kenntnis nicht zwingend notwendig ist – wenngleich mehrere Verweise innerhalb der Story entsprechende Neugierde darauf wecken. Jede der drei abgedruckten Originalbände hat unterschiedliche Schauplätze, deren jeweilige Atmosphäre fein in die Geschehnisse eingewoben ist, aber auch jede Menge Gemeinsamkeiten: Eine rastlose, ebenso attraktive wie gefährliche Protagonistin, zwei Frauen mit bemerkenswertem Ödipuskomplex und jede Menge "Lust und Gewalt", wie auch der Titel des dritten Kapitels passenderweise lautet. Erzählerisch wie optisch eine spannende Angelegenheit.