Die Modern Metal-Formation LEAGUE OF DISTORTION ist ein echter Senkrechtstarter, seit Veröffentlichung der ersten Single "Wolf Or Lamb" vor ziemlich genau einem Jahr ging es Schlag auf Schlag: Albumrelease, Deutschland-Tour, Europa-Tour – jetzt steht die Festivalsaison bevor.
Im Interview verrät Frontfrau Anna Brunner alias "Ace", was genau die Band mit ihrer Liga überhaupt "verzerren" (engl.: distortion) möchte, wie wichtig Gleichberechtigung ist und was sie von der Frauenquote auf Konzertbühnen hält.
Euer Debütalbum "League Of Distortion" ist vor etwa sechs Monaten erschienen. Was hat sich seitdem getan?
Wenn ich zurückblicke, haut es mich immer noch um. Vor genau einem Jahr haben wir die erste Single veröffentlicht, im November dann das Album. Seit dieser Zeit habe ich durchgehend Gänsehaut! Wir waren auf Releasetour mit CALIBAN, auf Europa-Tour mit KAMELOT, dieses Jahr spielen wir auf zahlreichen Festivals. Das ist ein unglaublicher Start für eine Newcomer-Band, gerade auch wenn man bedenkt, dass wir mitten in der Pandemie loslegten.
Inwiefern hat Corona euch beeinflusst?
Wir waren viel zu Hause anstatt auf Tour, es fanden ja keinerlei Gigs statt. Die Idee für LEAGUE OF DISTORTION geisterte schon längere Zeit im Hinterkopf herum – jetzt war die Zeit gekommen, es endlich anzugehen. Mit "Arro" (Jim Müller, Gitarre; Anm. der Red.), "Aeon" (Tino Calmbach, Schlagzeug) und "Ax" (Felix Rehmann, Bass) war die perfekte Combo schnell gefunden, wir kannten uns alle von anderen Projekten oder gemeinsamen Konzerten. Der Lockdown war also letztlich schon der "Kick In The Ass", die Idee jetzt umzusetzen.
Und dann?
Dann haben wir losgelegt, viel Energie in die Songs gesteckt, uns Zeit für die Produktion genommen und gleich drei tolle Produzenten ins Boot geholt, die ihre eigenen Ideen eingebracht haben. Wir haben ein Album aufgenommen, ganz ohne Vorgaben, ganz ohne Bedingungen. Ich konnte in dieser Phase auch tief in mich hinein hören und auch einiges aufarbeiten. Das alles ist in LEAGUE OF DISTORTION eingeflossen, und ich bin sehr, sehr glücklich damit.
Herausgekommen ist ein einzigartiger Stil, der nicht nach billiger Kopie klingt. Die Musik erinnert zwar an Nu Metal-Bands wie LINKIN PARK oder LIMP BIZKIT und RAGE AGAINST THE MACHINE, hat aber auch poppige Parts, wie das bei GUANO APES der Fall ist. Wie würdest du den Sound von LEAGUE OF DISTORTION beschreiben?
Wir machen Modern Metal. Ich denke, das fasst es ganz gut zusammen. Klar haben wir Nu Metal-Anleihen, das habe ich selbst früher ja auch brutal gefeiert. Es sind aber auch Oldschool-Einflüsse dabei, Shouts und Screams auch, klar. Deshalb ist es mit Modern Metal schon gut beschrieben.
Die Atmosphäre, die ihr setzt, ist durchaus düster, eure Texte sehr ernst. Warum?
Zunächst möchte ich betonen: Unsere Musik ist ganz klar positiv, bestärkend. Wir haben kein Depri-Album aufgenommen, sondern wollen mit der Liga eine Welt schaffen, in der man sich stark fühlt, in der man Kraft aus den Songs zieht. Wir wollen mit den Texten unseren Bandnamen aufgreifen, die Welt ein wenig verzerren, Dinge aus einer anderen Perspektive betrachten, mit Konventionen brechen und Themen diskutieren, über die man eigentlich nicht sprechen sollte oder nicht singen darf.
Wie zum Beispiel?
Der Song "SIN" – darin geht es um den Missbrauch in der katholischen Kirche. Wir haben für das Lied viel recherchiert, intern diskutiert, uns aber auch mit einem Missbrauchsopfer gut vier Stunden unterhalten. Es hat diesem 70-jährigen Mann viel gegeben, dass wir so etwas mit unserer Musik thematisieren. Und uns selbst bewegt das natürlich auch sehr. Die Reaktionen auf den Konzerten zeigen uns, dass wir die Menschen auch wirklich erreichen und bewegen. Manche kommen nach einem Auftritt zu uns und bedanken sich bei uns, fühlen sich gehört und nicht mehr alleine. Gleiches gilt für das Lied "I`m A Bitch", das sich um Gleichberechtigung und Gleichbehandlung dreht. Was bei Männern völlig in Ordnung ist, wird bei Frauen oftmals tabuisiert oder skandalisiert. Und darauf wollen wir aufmerksam machen. Wir wollen für etwas stehen, das ist uns ganz wichtig.
Schön, dass du dieses Thema ansprichst. In diesem Jahr spielt ihr ja auf zahlreichen Festivals. Den Abschluss markiert das Sinner Rock, das im September in Sinntal (zwischen Frankfurt und Fulda; Anm. der Red.) stattfindet. Ihr spielt dort donnerstags – und an diesem Abend treten ausschließlich "Female Fronted Bands" auf, also Bands mit Frauen an der Spitze. Was hältst du davon?
Ich finde es klasse, dass gerade im Metal mittlerweile immer mehr Frauen zu finden sind, es gibt sogar einige All-Girl-Bands, die richtig abrocken. Das zeigt, es geht in die richtige Richtung. Wir Frauen können das ja schließlich auch und deshalb finde ich es auch gut, wenn man dem eine Plattform gibt – so wie es das jetzt auf dem Sinner Rock der Fall ist.
Aber?
In meiner Utopie braucht es solch eine Sonderbehandlung nicht, weil einfach alle gleichberechtigt sind. Es geht ja eben nicht darum, einen Unterschied zu machen – genau diesen wollen wir schließlich nicht mehr. Weder in die eine noch in die andere Richtung. Deshalb bin ich grundsätzlich kein Fan von der Frauenquote, egal ob in der Gesellschaft oder auf der Konzertbühne. Dennoch ist mir natürlich klar, dass mit solchen Aktionen wie dem "Female Thursday" auf dem Sinner Rock die Aufmerksamkeit eben genau dorthin gelenkt werden soll – und damit ist das ein wichtiger und notwendiger Schritt zur Gleichberechtigung.
Exakt das sei ja die Idee dahinter gewesen, betont die Sinner Rock-Veranstalterin Renate Iorio, die ja selbst Sängerin der Band THE VAGRANTS ist und der es eine Herzensangelegenheit ist, Frauen im Musikgeschäft zu unterstützen. Zurück zu euch: Wie geht es nach den Festivalauftritten weiter – sitzt ihr schon an neuen Songs?
Ja, wir haben schon wieder sehr viele Ideen, wollen jetzt aber erst mal diesen Sommer einfach nur abrocken und uns dann die Zeit nehmen für neue Songs und neue Themen. Wir hatten für das erste Album sehr viel Zeit, das hört man auch, da ist kein einziger schwacher Song darauf, kein Lückenfüller. Das ist auch unser Anspruch für die zweite Platte, wir wollen die Qualität halten. Darüber hinaus ist die Liga aber nicht nur Musik, sie ist auch ein Engagement für das Gute.
Was heißt das genau?
Wir wollten eine Welt schaffen, in der sich die Menschen stark fühlen können und selbstbewusst sind. Das ist uns auch schon ganz gut gelungen, Band und Fans sind eine echte Einheit, wir haben ein tolles Gemeinschaftsgefühl. Das bedeutet mir sehr viel, und auch da wollen wir dranbleiben und weitermachen. Wir haben also noch einiges vor und freuen uns schon jetzt riesig darauf zu sehen, wo wir in einem Jahr sein werden.
# # # Interview: Nico Bensing # # #
LEAGUE OF DISTORTION sind: Anna "Ace" Brunner, Gesang
Jim "Arro" Müller, Gitarre
Tino "Aeon" Calmbach, Schlagzeug
Felix "Ax" Rehmnan, Bass
Das Debütalbum "League Of Distortion" ist bei Napalm Records erschienen.
Die nächsten Auftritte: 11.08.2023: Das große Treffen (Aach)
16.08.2023: Summer Breeze (Dinkelsbühl)
23.08.2023: Baltic Open Air (Busdorf)
07.09.2023: Sinner Rock (Altengronau)
Über das Sinner Rock Sinner Rock ist das Rock- und Metalfestival mit dem ganz besonderen Charakter. Auf zwei Bühnen sorgen internationale Künstler sowie kleinere Bands für mächtig Halligalli – und das inmitten herrlichster Natur. Es gibt ausschließlich Originalmusik auf die Ohren, Coverbands treten nicht auf. Die Künstler kommen unter anderem aus Schweden, Italien, den Niederlanden, Frankreich, Tschechien, Großbritannien, den USA und Deutschland. Dabei wird das Sinner Rock gerne auch als Entdeckerfestival bezeichnet, weil es mit internationalen Bands aufwartet, gleichzeitig aber auch kleineren und unbekannteren Perlen eine Bühne bietet. Erstmals findet das Festival an drei Tagen statt, den Auftakt am Donnerstag machen ausschließlich Frauenbands. Alle Infos und Tickets gibt’s unter
www.sinner-rock.de.
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