Der Erfolg als Detektiv hat auch Schattenseiten. Nicht wenige Gauner und Ganoven hegen einen Groll auf Sherlock Holmes.
Die Ereignisse nehmen einen harmlosen Anfang. Sherlock Holmes widmet sich der täglichen Morgenpost, als ihm ein alarmierendes Schreiben in die Hände fällt. Der Inhalt ist kurz und knapp, jedoch im höchsten Maße schockierend. Ein Unbekannter fordert den Tod des großen Detektivs. Zunächst nimmt Holmes die Zeilen des Verfassers sportlich und versucht mehr über jenen Menschen und seine Motivation zu erfahren, der ihm eine Morddrohung ins Haus schickt. Schnell muss er jedoch erkennen, dass seine Nachforschungen in eine Sackgasse führen. Frustration macht sich breit.
Dann jedoch lässt der anonyme Briefeschreiber seinen Worten Taten folgen und verübt einen perfiden Anschlag auf das Leben des Meisterdetektivs. Nun ist Sherlock Holmes' Ehrgeiz geweckt, er nimmt die Herausforderung an, entschlossen seinen Widersacher hinter Schloss und Riegel zu bringen. Schnell muss er jedoch erkennen, dass dieser ihm immer einen Schritt voraus zu sein scheint. Nur knapp entgeht er weiteren Mordversuchen. Sherlock Holmes wird klar, dass es seines ganzen Könnens bedürfen wird, um seinen äußerst raffiniert vorgehenden Feind zur Strecke zu bringen.
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Pastiches, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Geschichten über Sherlock Holmes fortzusetzen. Leider kranken viele daran, dass es ihnen nicht gelingt, den Ton von Sir Arthur Conan Doyle adäquat zu treffen. Im Fall von "Holmes soll sterben" ist das zum Glück nicht so, bereits von der ersten Minute an hat man das Gefühl einer Originalgeschichte zu lauschen. Eigentlich bereits in der Einleitung beginnt Holmes mit seiner unübertroffenen Fähigkeit der Deduktion, als ihn die erste Morddrohung beim Frühstück erreicht. Immer wieder erhält der Hörer dabei die Möglichkeit, Einblick in seine Denkweise zu bekommen, wenn er seinem treuen Weggefährten so manchen Gedankenweg zur Aufklärung des Falls erläutert.
"Holmes soll sterben" schafft es die Spannung bis zum Schluss aufrechtzuerhalten, immer wieder scheint der Unbekannte Holmes einen Schritt voraus zu sein und versucht alles erdenklich Mögliche, um den Meisterdetektiv ins Jenseits zu befördern. Einen großen Reiz erhält die Story durch den Umstand, dass man lange Zeit nicht weiß, wer hinter den Mordanschlägen steckt und was sein Motiv ist. Alles Zutaten, die eine klassische Detektivgeschichte ausmachen und hier auf gekonnte Art und Weise zum Einsatz gebracht werden.
Einen großen Teil dieser Produktion nehmen die Dialoge zwischen Holmes und Watson ein. Was auf den ersten Blick eher mäßig unterhaltsam erscheint, entwickelt jedoch alsbald eine enorme Sogwirkung und man fiebert mit, wie es Sherlock Holmes wohl gelingen mag, seinem Widersacher doch noch ein Schnippchen zu schlagen. Geräusche kommen eher dezent und wo sie sinnvoll erscheinen zum Einsatz, sorgen aber so dafür, die jeweilige Szene noch plastischer werden zu lassen. Die musikalische Untermalung ist wirklich passend und schafft es problemlos mit nur wenigen Klängen, das London des viktorianischen Zeitalters vor dem geistigen Auge lebendig werden zu lassen. Der berüchtigte Londoner Nebel und das Licht der Gaslaternen nehmen so urplötzlich Gestalt an und entführen den Hörer in ein vergangenes Jahrhundert.
Zwei Stimmen machen dieses Hörspiel zu etwas Besonderem. Till Hagen als Sherlock Holmes bringt genau das richtige Maß an Arroganz und Distanziertheit mit, die für diese Rolle so immens wichtig ist. Selbst in den schwierigsten Situationen wirkt er ruhig und gelassen mit einer gewissen Haltung von oben herab. Tom Jacobs agiert als Chronist der Ereignisse und geistig manchmal etwas schwerfällige Freund des Detektivs. Außerdem gelingt es ihm wie keinem Zweiten, die moralischen und gesellschaftlichen Geflogenheiten in seine Sprache und Wortwahl einfließen zu lassen. Daneben agieren Bernd Vollbrecht, Wolfgang Wagner, Arne Stephan und Tim Moeseritz und machen alle einen mehr als ordentlichen Job. "Holmes soll sterben" ist eine spannende und gut durchdachte Kriminalgeschichte, die so durchaus aus der Feder des großen Arthur Conan Doyle stammen könnte.