Ein britischer Diplomat ist scheinbar spurlos verschwunden. In seinem Besitz befindet sich ein Dokument, das Europa an den Rand eines Krieges bringen könnte.
Dr. Watson staunt nicht schlecht, als er noch vor Tagesanbruch Holmes im gemeinsamen Wohnzimmer antrifft, scheinbar immer noch unter dem Eindruck der ersten Ermittlungen in einem neuen Fall. Zunächst macht die ganze Angelegenheit auf Watson keinen besonders spektakulären Eindruck. Schließlich steht im Mittelpunkt des Interesses ein unscheinbares Gepäckstück, wie es zu vielfach in Gebrauch ist. Dies ändert sich jedoch nachdem dem Doktor klar wird, in wessen Besitz sich der Koffer befunden hat und was es mit ihm auf sich hat. Holmes ermittelt auf Wunsch seines Bruders Mycroft, der sich mit einem besonders delikaten Fall an ihn gewendet hat. Ein Diplomat ist offenbar auf seiner geplanten Reise nach Frankreich ohne einen Hinweis auf seinen Verbleib verschwunden.
In seinem Besitz befanden sich brisante Dokumente, die in den falschen Händen das Empire in große Verlegenheit bringen könnten. Die einzige Spur ist der Koffer im Wohnzimmer der Baker Street 221 B. Noch ahnt Watson nicht in was für einen vertrackten Fall sein Freund Sherlock Holmes geraten ist. Im zweiten Abenteuer wird der Meisterdetektiv während eines Deutschland-Aufenthalts damit beauftragt, den scheinbar entführten Sohn eines Adeligen aufzuspüren und wohlbehalten in den Schoß der Familie zurückzubringen. Doch die Ermittlungen halten eine handfeste Überraschung für das Duo aus England bereit.
Da Till Hagen aus gesundheitlichen Gründen bei der Aufnahme dieser Folge nicht zur Verfügung stand, übernahm der für die Fälle des jüngeren Holmes vorgesehene Karlo Hackenberger die Rolle. Dabei macht er eine ausgesprochen gute Figur, auch wenn er im direkten Vergleich noch nicht an Hagens Interpretation heranreichen kann. "Der verschwundene Diplomat" trägt in der ersten Hälfte die Züge eines Kammerspiels, da die Handlung sich allein auf die Untersuchung eines Gepäckstücks im heimatlichen Wohnzimmer konzentriert. Wer hier nun einen eher langweiligen Fall vermutet, wird sehr schnell eines Besseren belehrt.
Anhand einer ganzen Reihe von Beobachtungen entfaltet Holmes vor den Augen von Dr. Watson die Geschichte, die der Koffer erzählt, wenn man bereit ist genau hinzuschauen. So entwickelt sich eine immer dramatischere Suche nach dem verschwundenen Diplomaten, bei der die Spannungskurve kaum merklich immer weiter angezogen wird und man schließlich nicht anders kann als mitzufiebern, ob es der Londoner Spürnase gelingt, den verschwundenen Staatsdiener vor einem grauenvollen Schicksal zu bewahren.
Peter Jakob knüpft mit seiner Geschichte eine Verbindung zu Ereignissen, die sich auch im Originalkanon wiederfinden. Gerade solche Verweise machen Spaß, wenn sie mit so viel Leidenschaft und Liebe zum Detail erfolgen wie im vorliegenden Fall. Die hier geschilderten Vorkommnisse hätten, was die Ermittlungsarbeit, die gestellten Rätsel und die merklich ansteigende Dramatik betrifft, problemlos auch zu den Originalgeschichten von Arthur Conan Doyle gehören können. Und seien wir einmal ehrlich, welche größere Ehre gibt es für einen Verfasser einer Geschichte, die sich den größten Detektiv der Literaturgeschichte als Hauptfigur wählt?
Leider kann der zweite Fall, "Der Rheingauer Prinzenraub", inhaltlich nicht mit seinem Vorgänger mithalten, dafür wissen geübte Krimiliebhaber zu schnell, in welche Richtung der Hase läuft. Allerdings wird auch diese Geschichte mit großem Respekt vor dem Werk des geistigen Vaters des Detektivs erzählt und stellt einen Sherlock Holmes in den Mittelpunkt, der auch bei einem Ausflug auf den Kontinent nicht aus seiner Haut kann und einfach ermitteln muss, wenn ein neuer Fall seinen Weg kreuzt.
Die musikalische Gestaltung ist auch in diesem Fall über jeden Zweifel erhaben und passt hervorragend zu Art und Zeit der Geschichten, so entsteht bereits von der ersten Minute an eine Atmosphäre, die auf die Abenteuer von Sherlock Holmes einstimmt. Die Geräusche sind wieder sehr zurückhaltend eingesetzt worden, was aber insbesondere bei "Der verschwundene Diplomat" gut zum Ort der Handlung passt, schließlich werden große Teile in den eigenen vier Wänden bestritten. Karlo Hackenberger gibt hier eine arrogantere und über den Dingen schwebende Variante des großen Detektivs, die nach kurzer Eingewöhnung jedoch ebenfalls zu gefallen weiß.
Tom Jacobs agiert als Dr. Watson wieder einmal als würdiger und manchmal auch kratzbürstiger Gegenpart zu seinem Freund Holmes, der nicht bereit ist, jede verbale Kröte zu schlucken. Eine solche Anlage der Figur dürfte ruhig häufiger zur Anwendung kommen. Weiterhin im Ensemble finden sich große Stimmen wie Bernd Vollbrecht, Viola Sauer, Thomas Krause und Werner Wilkening, die mit ihrer jahrelangen Erfahrung genau wissen, wie ein gutes Hörspiel zu klingen hat. Erneut eine wirkliche überzeugende Folge der "Sherlock Holmes Chronicles" mit geringem Abzug in der B-Note für die eher simpel gehaltene zweite Geschichte dieser Episode.