Die Teilnahme an einem Golfturnier führt Sherlock Holmes und Dr. Watson hinaus aufs Land nach Croxton Hall. Doch anstatt sich dem Sport zu widmen erwartet den großen Detektiv vor Ort bereits ein neuer Fall.
Neben der Betätigung als beratender Detektiv zählt der Golfsport zu den großen Leidenschaften des berühmten Ermittlers aus der Baker Street. So ist es kaum verwunderlich, dass sich Holmes mit Dr. Watson mit großer Vorfreude auf den Weg nach Croxton Hall begibt, um gemeinsam mit Bill Maybury, einem alten Freund, dem gemeinsamen Hobby zu frönen. Doch anstatt ein paar unbeschwerte Tage damit zu verbringen sein Handicap zu verbessern, sieht er sich bereits bei der Ankunft mit einem neuen Fall konfrontiert. Der örtliche Trunkenbold ist zu Tode gekommen. Der Täter scheint schnell gefunden, ein junger Mann aus dem Ort, mit dem der bekannte Schläger bereits mehrmals aneinandergeriet. Die Beweislast gegen den allseits beliebten Mann scheint erdrückend und eine Verurteilung als Mörder nur noch eine Formalität zu sein.
Sherlock Holmes Interesse ist geweckt, schon allein um dem alten Freund einen Dienst zu erweisen, schließlich steht der Verdächtigte in seinen Diensten. Nachdem der Meisterdetektiv den Tatort in Augenschein genommen hat, ist sich Holmes sicher, dass der Tathergang ein vollkommen anderer war als die ermittelnden Stellen von Scotland Yard vermuten. Schnell zeigt sich, dass Holmes sein ganzes Können aufbieten muss, um Inspektor Johnston von der Unschuld des jungen Mannes zu überzeugen und den wahren Täter zu überführen. Doch wer wäre besser für eine solche aussichtslos anmutende Aufgabe geeignet als Londons größter Detektiv?
Die Ausgangsgrundlage des vorliegenden Falls darf man getrost als klassisches Element der Kriminal- und Detektivgeschichte betrachten. "Der zweite Hund" konfrontiert sein Publikum mit einem Verbrechen, bei dem bereits direkt zu Beginn alle Fakten auf dem Tisch zu liegen scheinen. Alle Indizien sprechen eine eindeutige Sprache und lassen keinerlei Zweifel daran, wer für den abscheulichen Mord an einem bekannten Unruhestifter verantwortlich ist. Selbst glaubwürdige Zeugen werden ins Feld geführt, die die Anschuldigungen gegen den Verdächtigen weiter zementieren. Trotz des eher gemächlichen Handlungsverlaufs erschließt sich hieraus ein enormes Spannungspotential, denn der berüchtigte Spürhund Holmes muss sein ganzes deduktives Talent aufbieten, um einen vermeintlich Unschuldigen vor dem Galgen zu bewahren.
Tatsächlich kann man ohne Umschweife behaupten, dass der vorliegende Fall aus der Feder von Cyril McNeile in der Bearbeitung von Marc Gruppe seine bisher beste und stimmigste Arbeit für die Reihe darstellt, denn in keiner anderen gelingt es so beeindruckend, die Fähigkeiten von Sherlock Holmes in Szene zu setzen und dem Hörer zu verdeutlichen, wie hilfreich es sein kann eine Angelegenheit aus einem vollkommen anderen Blickwinkel als die gemeinhin gängige zu betrachten. So gelingt es tatsächlich über mehr als 70 Minuten, den Hörer zu fesseln, indem man ein zunächst eindeutiges Ereignis Stück für Stück demontiert und mit einem gänzlich anderen Inhalt füllt.
Dazu gesellt sich einmal mehr der feine Humor, der immer wieder in den Dialogen aufblitzt und insbesondere im Wechselspiel zwischen Holmes und Watson zutage tritt. Gelegentlich wünscht man sich nur, dass Watson einmal ein wenig über sich hinauswächst und mehr eigene Impulse liefert, um einen Fall zu lösen, hier liegt sicherlich noch einiges an möglichem Potential brach. Ein weiterer Pluspunkt sind die Einschübe über das Leben im viktorianischen England und der Zeit kurz vor der Jahrhundertwende allgemein, die zur Lösung des Falls beitragen und dem Hörer ganz nebenbei einen Einblick in eine längst vergangene Zeit gewähren. Die musikalische Rahmung ist perfekt auf die verschiedenen Stimmungen der Geschichte abgestimmt und hilft, die spannenden und düsteren Momente des Hörspiels zu unterstreichen.
Die verwendeten Geräusche sind eher zurückhaltend im Hintergrund platziert, sorgen aber immer im richtigen Moment für die passende Ausstaffierung einer Szene. Wieder einmal präsentiert sich das Gespann Bierstedt/Tennstedt in Bestform und zeigt einmal mehr, warum man mittlerweile zu den beliebtesten Akteuren in den Rollen von Sherlock Holmes und Dr. Watson zählt. Tennstedt lebt in "Der zweite Hund" seine Rolle. Wir erleben ein grandioses Wechselspiel zwischen Arroganz und Können, gepaart mit einem enormen Selbstbewusstsein und immer wieder auflodernden Wortwitz. Großartig!
Daneben ist es sicherlich Michael Pan als abgeklärter Ermittler, der Holmes über lange Zeit auf unterhaltsame Art Paroli bietet. Zudem agiert er hier eher unaufgeregt, was ihm gut zu Gesicht steht. Solche Auftritte würde ich mir in der Zukunft häufiger wünschen. Aber auch alle anderen Akteure wie Martin May, Bernd Kreibich und Ariane Borbach sind mit großem Eifer bei der Sache und veredeln diese Produktion. "Der zweite Hund" bringt alles mit, was ein guter Kriminalfall benötigt, gerne mehr davon.