Wer trachtet dem Vormund einer alten Jugendfreundin von Dr. Watson nach dem Leben?
Unerwartet trifft ein Brief für Watson in der Baker Street 221 b ein. Die Verwunderung ist groß, denn das Schreiben stammt Marjorie Beaumont, einer alten Freundin, die der Doktor lange Zeit aus den Augen verloren hat. Unverzüglich folgt er Einladung zu einem Treffen. Die Wiedersehensfreude ist groß, zumal Watson feststellen muss, dass aus dem ehemals kleinen Mädchen eine wunderschöne Frau geworden ist, die kurz davor steht einen gut situierten jungen Mann zu heiraten. Doch ein Schatten liegt über dem Glück, der Vormund Marjories weigert sich, der Ehe seine Zustimmung zu geben.
Die Gründe dafür scheinen in einem engen Zusammenhang zur Vergangenheit des alten Mannes zu stehen. Henry Beaumont hat viele Jahre in Südostasien verbracht und sich einigen Wohlstand erarbeitet. Nach vielen Jahren treffen nun urplötzlich Briefe aus diesem Erdteil auf seinem Landsitz ein, die ihn in Angst und Schrecken versetzen, denn während seines Auslandaufenthalts hat er große Schuld auf sich geladen. Jahrzehnte nach seinem Frevel scheint Beaumont nun die Vergangenheit einzuholen. Dr. Watson ist sich sicher, dass es nur einen geben kann, der dem alten Mann zur Hilfe eilen kann, sein Freund Sherlock Holmes.
Nachdem die ersten Minuten des Hörspiels verstrichen waren, beschlich mich zunächst ein ungutes Gefühl, denn die Ereignisse, die Marjorie schilderte, erinnerten auf frappierende Weise an einige Abenteuer von Sherlock Holmes aus dem Originalkanon. Zum Glück entpuppte sich "Der Mann in Gelb" jedoch nicht als Plagiat einer Geschichte von Sir Arthur Conan Doyle, sondern spielt auf eine geschickte Art mit den verschiedensten Versatzstücken und führt diese zu einer überzeugenden Story mit verblüffendem Ende fort.
Es blitzen tatsächlich unter anderem sogar Erinnerungen an einen der bekanntesten Fälle des Meisterdetektivs auf, wenn einige versteckte Hinweise auf "Das getupfte Band" erfolgen. Tatsächlich wird der Hörer immer wieder auf falsche Fährten gelockt, bis sich plötzlich offenbart, wer hinter den mysteriösen Ereignissen auf dem Landsitz der Beaumonts steckt. Ganz nebenbei lüftet Sherlock Holmes auch noch das Geheimnis, warum Marjorie nicht den Bund der Ehe eingehen soll. Spannung ist garantiert und es gelingt diese konsequent hochzuhalten.
Immer wieder enthalten die Geschichten des berühmten Detektivs auch exotische Einsprengsel, was natürlich an der Zeit liegt, in der sie entstanden sind, schließlich war London zu jener Zeit der Nabel der Welt und aus aller Herren Länder strömten Menschen und Waren in die Hauptstadt des Empires – was sie zu einer kosmopolitischen Metropole machte, in der sich auch Verbrechen ereigneten, die mit weit entfernten Regionen des Erdballs in Verbindung standen. Doyle konnte sich dieses besonderen Reizes nicht entziehen und auch das vorliegende Hörspiel atmet den Geist von Vorgängen, die am anderen Ende der Welt ihren Ursprung haben.
Die überzeugende Handlung wird durch eine gelungene musikalische Gestaltung ergänzt. Heitere Klänge wechseln sich ab mit dunklen und mysteriösen Kompositionen, die auf die merkwürdigen Ereignisse auf dem Landsitz einstimmen und an den richtigen Stellen durch Melodien, die an den Fernen Osten erinnern, abgerundet werden. Hier passt alles.
Nur wenige Stimmen sind notwendig, um diesen unterhaltsamen Fall in Szene zu setzen. Neben dem kongenialen Duo Tennstedt und Bierstedt sind es Maximiliane Häcke und Manfred Liptow, die als Onkel und Nichte Beaumont zu überzeugen wissen. In weiteren Rollen sind Jan Makino, Kathryn McMenemy und Marc Gruppe zu hören, die ebenfalls eine ansprechende Leistung präsentieren. Eine gute Episode, die den Hörer lange Zeit im Unklaren lässt, wohin die Reise gehen soll.