"In Wirklichkeit ist es frauenfeindlich, weißt du. Körperteile als obszön zu bezeichnen."
Eines nicht so schönen Tages im Dezember 1986 führten Polizisten Michael Correa, Manager des Comicshops Friendly Frank`s in Lansing, Illinois, in Handschellen ab. Der Vorwurf lautete auf Verkauf anstößigen Materials, als das die Staatsmacht sieben beschlagnahmte Objekte bezeichnete. Auf der Liste der beanstandeten Titel, die später noch um Klassiker wie
"Love & Rockets" und "Elektra: Assassin" sowie – besonders bizarr –
"ElfQuest" erweitert wurde, stand neben "Heavy Metal" und "Weirdo" auch "Omaha the Cat Dancer". Aus dem Hilfsappell des Geschäftsinhabers Frank Mangiaracina an Denis Kitchen, den Gründer von Kitchen Sink und Verleger der letztgenannten Serie, resultierte die Gründung des Comic Book Legal Defense Fund, der für das verfassungsmäßig garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung für Comic-Schaffende eintritt und eine unverzichtbare Institution im Kampf gegen Dummheit, Ignoranz und Vorurteile darstellt.
Wenn man diese für die neuere Comic-Geschichte eminent wichtige Episode zuspitzen will, lässt sich sagen, dass der CBLDF seine Gründung den freizügigen Abenteuern von Katzendame Susan verdankt, die unter dem Künstlernamen Omaha als Nackttänzerin zum heimlichen Star des Nachtlebens der fiktiven (und an Minneapolis angelehnten) Stadt Mipple City aufsteigt. Und genau dieser Serie verschafft Schreiber & Leser jetzt im Rahmen einer Gesamtausgabe einen Auftritt im wohlverdienten Rahmen, denn abgesehen von einem einzigen Band der Reihe "U-Comix präsentiert" aus dem (bekanntlich von den Hütern von Moral und Anstand ebenfalls nicht sonderlich verwöhnten) Alpha Comic Verlag konnte die Protagonistin bisher nicht auf dem deutschsprachigen Markt Fuß fassen. Was angesichts der expliziten Sexszenen auch nicht weiter verwunderlich scheint, doch das ist entgegen etwaiger Erwartungen nicht einmal die halbe Miete, die die Faszination von "Omaha the Cat Dancer" ausmacht.
Mit dem Einstieg von Kate Worley, die dem Schöpfer und Zeichner Reed Waller (nach Omahas Debüt 1978) ab der 1986 erschienenen zweiten Ausgabe der fortlaufenden Reihe unter die Arme griff, wandelte sich der Charakter der Story nämlich von einer pikanten Parodie auf die leider auch heute noch unermüdlichen Versuche, Lust und Triebe des Menschen ins enge Korsett bürgerlicher Prüderie zu zwängen, zu einer spannenden Seifenoper mit Intrigen in höchsten Kreisen – unschwer zu erraten, woher neben "Love & Rockets" der maßgebliche Einfluss auf Terry Moores Opus Magnum
"Strangers in Paradise" stammen dürfte. Und so versucht eine junge Frau, die ihren Arbeitsplatz in einem angesagten Nachtclub aufgrund einer als Kampagne für Anstand und Sittlichkeit getarnten Geschäftsidee verliert, ihr Schicksal trotz von ihr nur bedingt beeinflussbaren Widrigkeiten zu meistern.
Dabei geht es ihr nicht nur bloß um Zuneigung in Form ihres Verehrers und baldigen Liebhabers Chuck Katt, sondern auch um das Recht auf ihre eigene Sexualität, den eigenen Körper und letztlich um Selbstbestimmung. Das oben wiedergegebene Zitat aus ihrem Mund bringt den Charakter der Serie sehr gut auf den Punkt. Dass Omaha die "weibliche Antwort auf Fritz the Cat" sei, wie Schreiber & Leser auf der Rückseite des Bandes anmerkt, ist werbetechnisch natürlich verlockend und naheliegend, was Freizügigkeit als Mittel der Gesellschaftskritik angeht. Hier aber ist in schlichten Schwarzweiß-Panels auch eine emanzipatorische Kraft am Werk, die nochmal ein ganz anderes Level darstellt. Das soll die Qualität von Robert Crumbs Schöpfung nicht mindern, sondern die von Waller und Worley nur besonders hervorheben. Apropos hervorheben: Trotz entsprechender Verfahrensweise mit einst indizierten Titeln (
Stichwort "Druuna") hat der Hamburger Verlag auf den Abdruck eines Altershinweises bezüglich des expliziten Inhalts verzichtet. Bloßes Versäumnis oder gar kräftiges Lebenszeichen der Subversion in deutschen Landen anno 2020?