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Interview: ARCH ENEMY - Röchelhusten und Dinge, die "bling" machen

Unkreativ sind die anderen. Wenn ihnen mal zwischendurch langweilig ist, und grad kein neues Album ansteht, vertreiben sich ARCH ENEMY die Zeit einfach mit dem Filmen einer DVD. Oder mit dem Neu-Einspielen alter Tracks. Im Gespräch mit Shouterin und Herzeige-Frontfrau Angela Gossow, genau so charmant wie redselig...



ARCH ENEMY (c) ADDE / Zum Vergrößern auf das Bild klickenIm Frühjahr habt ihr "Manifesto" rausgebracht und nun "The Root Of All Evil". Große Resteverwertung im Hause ARCH ENEMY, oder wie?

Also "Manifesto" hat ja die Plattenfirma rausgebracht, so quasi als eine Best-Of, die sich auch prima für Neueinsteiger eignet. Da hatten wir nicht viel damit zu tun. Eigentlich gar nichts, um genau zu sein...

Aber es passt ja sehr schön, zuerst die Hits der jüngeren Vergangenheit, und nun die ganz alten Sachen, die du neu eingesungen hast...

Das haben die wahrscheinlich zeitlich so abgestimmt. "Manifesto" gibt einen recht schönen Überblick über die Zeit von "Wages Of Sin" bis heute, von jedem Album sind zwei Songs drauf.

Für dich war es aber sicher eine riesige Herausforderung, die alten Schmonzetten (die im Original alle von Johan Liiva gesungen wurden) neu einzugröhlen...

Es wurde ja alles komplett neu eingespielt...

Natürlich.

Das war eine ziemlich lustige Recording-Session diesmal. Einige Songs hab ich ja schon live auch gesungen – von daher war das jetzt nicht alles so komplett neu für mich. Interessant war es herauszufinden, wie ich selber die Songs damals im Studio gesungen hätte. Wenn ich Songs live singe, dann ist das immer so eine Art Momentaufnahme – so wie ich mich grad fühle, so sing ich die Dinger halt auch, frei von der Leber weg. Im Studio muss man sich dann schon Gedanken drüber machen: Wie würde ich das jetzt interpretieren? Auch bei den Lyrics. Mein Approach ist etwas aggressiver als der von Johan, bei mir ist mehr Aggression drinnen, er hatte eher so die Schwermut drauf. Es sind halt zwei verschiedene Sänger mit zwei verschiedenen Persönlichkeiten, und es ist interessant zu sehen, was passiert wenn man mal einen anderen hinsetzt, der die Songs dann interpretiert. Obwohl es ja im gleichen musikalischen Rahmen ist. Wir sind irgendwie beide auf unsere Art extreme Sänger.

ARCH ENEMY (c) ADDE / Zum Vergrößern auf das Bild klickenWar es denn auch schwierig, dich mit den "fremden" Lyrics auseinanderzusetzen?

Also die Texte sind ja nicht von Johan, die sind von Michael. Daher ist das auch einfacher, weil Michael ja noch immer in der Band ist, und mir auch was dazu sagen kann. Man hat ja auch immer seine eigene Interpretation, auch wenn die Texte von jemandem anderen stammen. Das muss man dann halt dementsprechend auch für sich durcharbeiten – wovon handeln die Texte und wie klingt das, wenn ich es singe? Ich hab auch nicht genau nach den Hintergründen für die Lyrics gefragt, das liegt auch alles schon einige Jahre zurück. Da ich Michael relativ gut kenne und weiß, wann er die Texte geschrieben hat, weiß ich ja auch um was es ungefähr geht. Aber es ist interessant – denn Worte haben viele Bedeutungen. Und es ist sicher nicht immer einfach, das als Sänger dann für sich umzusetzen.

Nun deutet der Titel "The Root Of All Evil" natürlich auf die Anfänge von ARCH ENEMY hin. Steckt aber nicht etwa auch eine andere Bedeutung dahinter?

Also eigentlich steckt sogar eine Dreideutigkeit drinnen. Einmal - wie du schon sagtest - geht es um die Vergangenheit, die Wurzeln. Dann hängt der Begriff ARCH ENEMY mit "Root Of All Evil" ja auch irgendwo zusammen: beides kommt in der Bibel vor - der Erzfeind hier, die Wurzel des Bösen da. Und am Ende klingt es auch noch so richtig nach Deathmetal  finde ich. Der Totenkopf auf dem Cover rundet die Sache ab, ist irgendwie oldschool und sieht sehr "evil" aus...

Also der Oldschool-Trend ist ja momentan überhaupt sehr present in der Szene. Bay Area-Thrash ist wieder voll in, und Kuttentragen gehört schon fast wieder zum guten Ton...

ARCH ENEMY (c) ADDE / Zum Vergrößern auf das Bild klickenTja, alles kommt irgendwie wieder...

Und ihr habt ja auch gleich mal Patches reingetan in die Limited Edition... um diesem Trend sozusagen gerecht zu werden?

Was haben wir? Ach ja, die Patches. Genau. Weil die Leute immer fragen, warum wir keine Patches verkaufen. Patches sind ja voll oldschool. Jetzt haben wir die da als Draufgabe reingesteckt.

Es war trotzdem jahrelang verpönt und total out, eine Kutte zu tragen, mit oder ohne Patches...

Ja, aber jetzt plötzlich sieht man es wieder überall. Hosen die mit Aufnähern geflickt werden, Jacken mit Patches... find ich schon ziemlich cool.

MUNICIPAL WASTE beispielsweise haben sogar Schweißbändchen in die CDs gepackt...

Ja, genau – das ist halt ein nettes Gimmick, das man sonst nicht so leicht bekommt!

Hast du denn mit der Achtziger-Metal-Mode generell ein Problem? Du warst ja vor ARCH ENEMY auch schon in anderen Bands aktiv...

Ich sehe mich eher als Neunziger-Kind, habe so etwa 1989 angefangen, Metal zu hören -  bin also quasi mit der ersten Death Metal-Welle gross geworden. Und die hat sich ja total abgegrenzt von den Achtzigern, von diesen ganzen Hairspray-Bands. Ich find das heute zwar wieder irgendwie süß,  würde es aber selber nicht tragen. Das hatte schon was von einer Karikatur, und heute sieht man solche Glam-Teile wieder - auf den Catwalks! Metal- und Rockmode ist heute bereits Teil der Houte Couture geworden. MÖTLEY CRÜE-Shirts tauchen in der Modewelt immer wieder auf, sind dann aber von Gucci, hahaha...

Oder MOTÖRHEAD-Shirts mit Svarovski-Steinen...

ARCH ENEMY (c) ADDE / Zum Vergrößern auf das Bild klickenJa, genau, haha! Rock-Mode ist halt auch irgendwie zeitlos. Ich bin da nie so der Modefreak gewesen, ich habe meinen eigenen Stil und der ist eher underdressed und teilweise vom Kampfsport beeinflusst, weil ich ja sehr sportlich bin. Ich hab mich also nie wirklich aufgebrezelt, auch damals zu den Anfängen nicht. Heute kann ich aber gut lachen über diese Sleaze-Mode, ich fand das sehr mutig teilweise.

Ja, da können wir uns an einige sehr schrille Gestalten erinnern...

Genau!  Männer, die wie Frauen aussahen...

...und Frauen, die wie Männer aussahen gab’s ja auch, GIRLSCHOOL etwa...

Genau, hehe! Letztendlich ist das alles aber nur ein Ausdruck der jeweiligen Persönlichkeit, da kann jeder machen, was er will. Aus dem Metal kommen ja auch die verrücktesten Gestalten und Selbstdarsteller. Ich finde das fein, wenn man so auf Festivals geht und sich die ganzen Outfits mal so reinzieht...

Obwohl, im Metal-Beraich hast du ja eher die "harmlosen Verrückten", um es mal so auszudrücken.  Im Hip Hop beispielsweise gibt’s auch genug Selbstdarsteller, aber da sind alle eher so auf "aggro" und prolo-protzig...

Naja, der Hintergrund beim Hip Hop ist ja ein anderer, da geht’s um die Fashion und um alles was irgendwo viel Geld kostet. Im Metal ist es mehr der gewöhnliche Ausdruck von Anderssein und von künstlerischer Kreativität. Es ist was ganz anderes, wenn ich als Fashion-Victim die letzte Modekollektion von GWEN STEFANI oder von JAY-Z tragen muss, um aufzufallen - irgendwelche Dinge, die einfach nur "Bling" sagen. Diese Leute sind dann natürlich auch entsprechend oberflächlich drauf, und teils eben auch aggressiv. In einem Hip Hop-Club herrscht auch eine ganz andere Athmosphäre als wenn man auf ein Metalkonzert geht, das sind zwei sehr unterschiedliche Welten und ich habe die ganze Hip Hop-Branche auch nie wirklich verstanden. Die Werte, auf denen das basiert, versteh ich nicht. "Pimping" und Money, nackte Frauen, Oberflächlichkeit, Prolo-Gehabe. Das sagt dann natürlich sehr viel über den Charakter dieser Leute aus.

Vor einiger Zeit habt ihr eure DVD "Tyrants Of The Rising Sun" veröffentlicht, die ihr in Tokyo mitgefilmt habt. Warum gerade dort?

ARCH ENEMY (c) ADDE / Zum Vergrößern auf das Bild klickenNun, die erste DVD ("Live Apocalypse" 2006; Anm. d. Verf.) haben wir in London mitgeschnitten und damit das europäische Konzert-Flair ein wenig eingefangen. Wir wollten dann halt mal was ganz anderes zeigen, und da fällt man eben schnell auf Südamerika – oder eben Japan. Länder mit dem Exotenbonus, denn da sind die Leute auch ganz anders drauf. In Japan sind wir halt mittlerweile auch sehr groß und einflussreich als Band. Und das eigentlich eh schon seit 1996 - da haben wir also eine lange Geschichte. Einerseits wollten wir also der Welt mal zeigen, wie’s in Japan auf nem ARCH ENEMY-Gig so abgeht, andererseits sollte die DVD auch ein Dankeschön, eine Hommage an unsere japanischen Fans sein. Wir bekamen dafür auch ein super Angebot von Fujifilm, und von denen der Boss ist doch tatsächlich ARCH ENEMY-Fan! Japan ist da wirklich kurios, denn obwohl alle mit Schlips und Kragen rumlaufen, ist der Metal dort in der Gesellschaft fest verwurzelt und viel mehr akzeptiert als etwa hier in Europa. Das mit der DVD hat sich relativ kurzfristig ergeben, zwei Wochen vor der Tour haben wir das angeboten bekommen und halt einfach zugesagt. Es haben alle auch viel Zeit rein gesteckt, weil wir wollten, dass alles superfein aussieht. Zwölf Kameras waren da, eine davon auf einem Kran – es war irgendwie klar, dass das halbwegs gut wird. Es ist auch fein, weil wir oft in Japan spielen und die Leute uns da schon sehr gut kennen, die meisten können auch die Texte auswendig und singen alles mit. Ich finde es total wichtig, alle paar Jahre mal ne DVD rauszuschmeissen, denn es gibt immer noch genug Leute, die ARCH ENEMY nie live zu sehen bekommen werden - im mittleren Osten etwa ist das schwierig, oder in irgendwelchen obskuren exotischen Ländern.

Aber ihr habt ja in Dubai beim "Desert Rock"-Festival zusammen mit OPETH und MOTÖRHEAD gespielt...

Naja, aber Dubai ist da eher die Ausnahme, das ist irgendwie wie so ne Oase im Mittleren Osten.

War es nicht trotzdem strange, da zu spielen?

ARCH ENEMY (c) ADDE / Zum Vergrößern auf das Bild klickenAlso irgendwie schon. Die Leute da kommen ja auch aus Iran, dem Irak oder Afghanistan, also aus Ländern, wo wir mit ziemlicher Sicherheit nie spielen werden. Das sind alles Kriegsgebiete und Metal wird von den Regierungen und den geistigen Führern dort auch total abgelehnt und verteufelt. Und so fahren die Leute – sofern sie es sich leisten können - eben nach Dubai, und brauchen sich dort nicht zu verstecken als Metal-Fans. Im Iran steht beispielsweise Gefängnis drauf, wenn man mit langen Haaren rumläuft und amerikanische Bands hört. Das ist schon sehr seltsam. Entsprechend intensiv sind die Fans dann halt auch – nach dem Motto "Once in a Lifetime". Die meisten von denen sehen vielleicht das erste oder einzige mal in ihrem Leben ARCH ENEMY – oder überhaupt eine Metal-Band. Nichtsdestotrotz gibt’s dort sehr viele, langjährige Fans, die halt dann heimlich tapetraden, wie wir vor dreißig Jahren. In Dubai zu spielen war für uns definitiv anders, verglichen mit der zwanzigsten Deutschlandtour oder so.

Ja... da sind wir Mitteleuropäer halt schon verwöhnt...

Und zum Glück, muss ich ehrlich sagen! Jeder andere Zustand wäre für mich furchtbar... Aber wenn man uns hier mal verpasst, denkt man sich eben "na ja, die kommen sowieso bald mal wieder". Es ist alles nicht so emotional, als wenn man eine Band nur einmal im Leben sehen darf oder kann. Das "Desert Rock" ist für die Leute in Arabien großteils die absolute Erleuchtung, ein Abenteuer, ein Lebenstraum, der in Erfüllung geht. Metalfans sind in der muslimischen Gesellschaft verachtete Aussenseiter.

Ich bewundere diese Leute ja. Man sieht das auch sehr gut in diesem Film, "Heavy Metal in Baghdad", was da so abgeht... teilweise wird da ja Pionierarbeit geleistet!

Und das läuft dann fast schon piratenmäßig ab da. Insgesamt finde ich es ja sowieso total krass, dass es anno 2009 immer noch so viel Folter und Krieg als politisches Ausdrucksmittel gibt. Gerade heute, wo es doch diese ganzen Kommunikationsmöglichkeiten gibt! Man muss sich nicht mehr an irgendeiner Reichsgrenze treffen, wo dann zwei verfeindete Könige miteinander "verhandeln". Die Welt ist offen und zugänglich geworden durch die ganzen unabhängigen Nachrichtensender. Man muss sich heute ja nicht mehr irgendwelche Propaganda reinpfeiffen, und trotzdem gibt’s mancherorts Zustände, die zum Himmel schreien.

ARCH ENEMY (c) ADDE / Zum Vergrößern auf das Bild klickenGlaubst du an das Böse im Menschen? An die sprichwörtliche "root of all evil"?

Ich glaube eher, dass bei vielen Menschen ein starker Mangel an Bildung herrscht. Intelligentere Menschen neigen deutlich weniger zur Anfälligkeit für irgendwelche hetzerische Propaganda.

Sag das nicht – die Geschichte lehrt uns da was anderes... aber es ist ja zu einem großen Teil auch die Umgebung, die einen Menschen böse werden lässt – und nicht der Mensch selber...

Hm, schon auch. Ich hoffe, dass die Moderne Welt irgendwann halt transparent genug für jeden einzelnen ist, auch in Entwicklungsländern, die vielleicht jetzt nicht so den Zugang zu diversen Medien haben. Dann haben diese Menschen auch mehr Möglichkeiten sich selber weiterzubilden, und sich eine eigene Meinung zu bilden.

Du bist früher selbst (Musik-)Journalistin gewesen, das merkt man auch irgendwo an deinem Zugang zu gewissen Dingen...

Ja, genau. Aber das war halt auch mehr so hobbymäßig...

Stehst du Kollegen der schreibenden Zunft dadurch kritischer gegenüber als andere Musiker - weil du ja quasi beide Seiten eines Interviews kennst?

ARCH ENEMY (c) ADDE / Zum Vergrößern auf das Bild klickenAlso, das einzige, was mich wirklich anwidert ist, wenn jemand in ein Interview kommt und überhaupt nichts über die Band weiß. Ich meine, man sollte halt grundlegende Dinge wissen - wer in der Band ist, das aktuelle Album und so. Ich hab immer wieder Interviews, wo mich die Leute fragen "Was macht ihr denn für Musik?" oder "When did you join the band?". Das find ich dann immer ein bisschen schwierig, denn es ist auch irgendwo respektlos gegenüber dem Künstler. Ich denke dann immer "mach erst mal ein bisschen Recherche, dann klappt’s auch mit dem Interview besser! Melde dich in einer halben Stunde noch mal, wenn du was über die Band gegoogelt hast...!"
Grundsätzlich weiß ich ja, welche Klientel die Interviews dann liest, und wenn einer ARCH ENEMY nicht kennt, dann ist es vielleicht auch ok, wenn dann so Basic-Fragen gestellt werden. Wenn ich aber merke, dass mein Gegenüber keinen blassen Schimmer von meiner Band hat, macht mich das schon fertig!

Ok, also um zu zeigen wie informiert ich bin, weiß ich, dass ihr im Herbst und im Winter in Asien und Australien unterwegs seid. Bei diesen vielen Auslandsreisen – fühlst du dich noch irgendwo zuhause oder würdest du dich schon als Vagabundin bezeichnen?

Hmmm... unter meinem "Zuhause" verstehe ich ein grosses Büro mit einem Crosstrainer drin, also so ein kleines Fitnessstudio. Eigentlich hab ich nicht wirklich einen Bezug zu dem Begriff "Zuhause", weil ich da auch nie viel Zeit da verbringe. Da wir uns  selber managen und auch die Tourneen selber planen und organisieren, ist in meinem "Zuhause" – also im Büro – auch immer massig viel Arbeit. Da hat sich dann meistens viel Post angesammelt, wenn man zurückkommt, und auch vieles zum wegheften. Ich mach auch viel Bürokram, wenn wir auf Tour sind. Wir haben ja mittlerweile einige Angestellte, da gibt’s immer was zu tun – Gehalts-Abrechnungen, Papierkram, planen und koordinieren...

ARCH ENEMY (c) ADDE / Zum Vergrößern auf das Bild klickenARCH ENEMY ist also heute eine richtige kleine Firma...

Genau. Und ich mach halt den Bürokram. Wenn ich also "daheim" bin, bin ich entweder im Büro oder trainieren, und mach halt all die Dinge, die so anfallen, wenn man nicht "on the road" ist. Ich werde die nächsten zwei Jahre nicht wirklich zur Ruhe kommen, hab mich aber damit arrangiert. Dieser Lifestyle ist völlig OK für mich, ich fühl mich nicht unwohl oder überfordert.  Ich hab halt da so ne Grundeinstellung dazu – "es ist OK, so wie es ist, das ist halt mein Leben". Wenn man aber dagegen ankämpft – und viele Musiker haben denke ich auch dieses Problem – dann wird dieser Lifestyle recht schnell zur Qual. Dann kriegt man Angstzustände, oder verliert die Bodenhaftung, bekommt Depressionen und greift zu Drogen.

Naja, es ist ja auch nicht jeder dazu bestimmt, Musiker zu sein, genauso wie’s Leute gibt, die nicht dazu bestimmt sind, Zuckerbäcker zu werden...

Ja, richtig! Haha! Auch Musiker sein ist nicht jedermanns Sache. Man muss sich eines vor Augen führen: Als Metal-Band sollte man vor allem touren, touren, touren. Wenn man sich dann aber entwurzelt fühlt, wenn das zum Problem wird, dann ist es einfach nicht das richtige Lebenskonzept. Und viele lösen das dann eben durch Drogen, weil sie immer in einem permanenten Ausnahmezustand leben. Das muss man mit sich selber ausmachen und damit auch leben können. Vielleicht hilft es auch, wenn man von Haus aus ne starke Persönlichkeit ist. Viele Bands halten das keine fünf Jahre durch...

Du bist aber mittlerweile über den "break even" hinaus, was das betrifft...

Jaja, meine Halbwertszeit in der Band ist sozusagen schon überschritten, hehe. Aber ich hatte auch so meine schwierige Zeit - 2004, 2005. Dann ist auch noch Chris (Amott; Anm. d. Verf.) ausgestiegen, und dadurch wurde es auch nicht gerade besser. Das war dann so’n Punkt wo ich gesagt habe: So, was nun?

ARCH ENEMY (c) ADDE / Zum Vergrößern auf das Bild klickenAber Christopher kam ja dann wieder...

...der kam wieder, ja. Aber als er damals ausgestiegen ist, habe ich mich das erste mal mit der ganzen Materie "Band" auseinadergesetzt. Und ich dachte: ich will das machen – und damit war das ganze für mich dann auch erledigt. Es soll so sein, wie es eben ist.

Am Telefon klingst du eigentlich schon fast beängstigend angenehm – was tust du für deine Gröhl-Stimme?

Also, ich bin nett zu meinem Körper, und die Stimme ist ja ein Teil davon. Ich lebe sehr gesundheitsbewusst, eigentlich bin ich das krasse Gegenteil von dem was man sich unter einem Heavy Metal-Musiker so vorstellt, hehehe. Ich bin Vegetarier und steh auf Vollwertkost, bin sehr fitnessorientiert, rauche nicht. Und ich gehe auch auf Tour sehr bewusst mit meinem Körper um.

Sollte man ja auch, man hat schliesslich nur den einen...

Erstens das, und zweitens muss man ja mit diesem Körper Abend für Abend eine Show bestreiten, und das ist dann teilweise ein echtes Cardio-Training. Wenn man sehr müde ist, dann wird das natürlich schwierig. Solange ich nicht krank bin, gibt’s mit der Stimme eigentlich keine größeren Probleme. Wenn man aber beim Reden schon röchelt und hustet, dann sollte man besser erst gar nicht auf eine Bühne gehen.

Obwohl das mit Sicherheit auch mal interessant klingen würde. Aber das ist ein anderes Kapitel.


### Mike Seidinger ###
 
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