Kalt, regnerisch, unfreundlich: So präsentierte sich der Abend des 27. Januar in Wien und dennoch sah man, wenn man sich rund um den Schottenring befand, einige verwegene Gestalten ihren Weg zum Donaukanal bahnen...
Was sie da wollten? Nein, nicht ihren Frust über das Wetter in der frostigen Donau ertränken, sondern dann wohl eher in Alkohol und lauter Musik im Flex. Der Anlass: ALKALINE TRIO hatten endlich ihren Weg in die österreichische Hauptstadt gefunden und präsentierten passend zum Wetter ihre düsteren Lyrics in der angesagten Konzertlocation. Die Stimmung war gut, einige Besucher geradezu euphorisch, wenn ich mich an die Begrüßung eines mir Unbekannten erinnere, der jedem – gewollt oder ungewollt – lautstark mitteilte, wie sehr er sich auf ALKALINE TRIO freue und wie heute sein Lebenstraum in Erfüllung ginge.
Das versprach ja schon mal Gutes.
Endlich drinnen im Warmen fand ich mich höchst erfreulicherweise klare Luft atmend wieder – an jedem freien Fleckchen hing ein Plakat, auf dem die Band bat vom Rauchen in der Konzerthalle abzusehen. Meine Sympathie hatten die Jungs damit schon mal, die meiner Begleitung sank rapide gegen den Gefrierpunkt. Jaja, die Debatte wo, wann und wie man rauchen darf wird sich wohl noch länger durch die österreichischen Clubs und Lokale ziehen, aber davon sei an anderer Stelle geschrieben.
Pünktlich um 20:00 Uhr eröffneten BROADWAY CALLS den Abend. Die drei Jungs aus Oregon (näheres dazu in einem hier vor kurzem erschienen Artikel) hatten es sich zur Aufgabe gemacht, ihre 30 Minuten Stagetime voll auszunutzen. Gefühlt packten sie ein 90 Minuten Set in diese halbe Stunde und dementsprechend kurz kamen Reden und Publikumskontakt. Bis zum fünften Song machten sie vorsichtshalber nicht einmal Pausen zum Klatschen. Der Drummer – ein sehr kräftig gebauter Mann – schien einen gesunden Hass auf sein Schlagzeug zu haben, denn er hieb mit einer solchen Gewalt auf die Felle und Becken ein, dass ich fürchtete mir würden gleich Teile davon um die Ohren fliegen. Nach mindestens jedem zweiten Song sprang ein Techniker auf die Bühne und schraubte am Schlagwerk herum – anscheinend hatte man beim Soundcheck an der Zeit gespart was auch die Klangqualität erklären würde.
Der Tontechniker muss Petersilie in den Ohren gehabt haben, denn das, was ihm sonst so klangtechnisch gerühmten Flex an diesem Abend aus den Lautsprechern tönte sollte rechtlich verfolgt werden. Der Gesang zu leise, die Gitarre quasi stumm und ein Gewummse von Bassdrum und Bass, das einem die Eingeweide zusammenknotete. Das hatte diese Band nicht verdient. Denn trotz des Breis, der da an meine Ohren drang, konnte ich dennoch die technische Qualität der Band heraushören und die ausgezeichnete Stimme des Sängers erahnen. Ich hätte gerne mehr davon gehabt…
Was die kargen Kommentare von BROADWAY CALLS angeht – Jungs ihr hättet mehr sagen sollen! Eure Musik ist wirklich super, aber bei einem Konzert sind es dann doch die Reden, die darüber entscheiden, ob man sich am nächsten Tag die MySpace-Site anschaut oder nicht. Allein die über die Bühne gebrachte Suche der Band am Ende des Sets nach einem Schlafplatz für die Nacht ließ erahnen, wie sympathisch diese Truppe ist. Soweit so gut. Der Sound war mies – die Band hervorragend. Nun zum Hauptakt des Abends: ALKALINE TRIO!
Aus der Stadt des Jazz und der Gangster – Chicago - stammt die Dreierformation um Sänger und Gitarrist Matt Skiba, der das einzig übrig gebliebene Gründungsmitglied stellt. Singen tun übrigens alle Mitglieder von ALKALINE TRIO, gesetzt den Fall, die Mikrofone sind eingeschalten und richtig eingestellt (der Tontechniker GRRRRRRRR!) und für ihre Lyrics sind sie auch bekannt. Fröhlich Melodien untermalen die Texte über Tod, Liebeskummer, Alkohol und Drogen und machen die Songs teilweise so bizarr, dass es einem kalte Schauer über den Rücken regnet – also passend zum Wetter. Das Publikum jubelte, als die Band die Bühne betrat. Als sie loslegte, erstarb der Jubel und man hörte immer wieder missgestimmte Kommentare – je später der Abend auch potentielle Morddrohungen in Richtung Mischpult schallen. Der zweite Song, auf den besonders meine Begleitung gewartet hatte: "Calling All Skeletons" ging wieder einmal im Einheitsbrei der Bassdrum und des Bass unter und man hörte die einmalig knarzige Stimme von Mike Skiba so gut wie gar nicht.
Positiv hierzu kann man nur sagen, dass der Tonmann es schaffte bis zur Zugabe eine halbwegs annehmbare Mixtur abzuliefern, aber wer 45 Minuten eine ausgezeichneten Band derart entstellt zugeführt bekommt, kann sich auch über diesen kleinen Erfolg kaum noch freuen – mir geht es zumindest so und ich war nicht nur einmal aus diesem Grund den Tränen nahe. Abgesehen von der verheerenden Tonqualität bleibt zu betonen, dass die Show einwandfrei war – sehr authentisch und nicht einmal gekünstelt brachte das basische Trio ihre Musik dem Publikum nahe und nachdem sich der Schock und Unmut über den Sound etwas gelegt hatte ging es auch mit der Stimmung bergauf. Selbst als Skiba einen Song deutschem Bier widmete, brachen nur vereinzelt Tumulte aus und die meisten ließen das mit einem Schmunzeln durchgehen – so was kann ja wohl nicht mal ein Amerikaner ernst meinen. Nach einer Stunde war der Spuk aber auch leider schon wieder vorbei und auch Trost auf baldige Fortsetzung gab es von der Bühne keinen, im Gegenteil, laut eigener Aussage kommen sie erst in drei bis vier Jahren wieder. Aber das wird man dann ja sehen.
Alles in allem war es ein denkwürdiger Abend für Fans, ein katastrophaler Abend für Soundgourmets und für alle dazwischen ein Sitzen zwischen den Stühlen. Die Show war, um es mit Skibas Worten zu sagen: "Cocky... and by cocky I mean awesome..."
###Anja Prietl###