Einmal mehr gerät der eigenwillige Herr mit dem Ohrring unversehens zwischen die Fronten des Krieges, der vor exotischen Gefilden nicht Halt macht.
"Die Mission, in der ich geboren wurde, nannte die Kinder nach dem Heiligen des Tages. Mein Bruder heißt Aschermittwoch. Und jetzt halt dein freches Maul!" (Jesus Maria, in: "Was nur die Möwen wissen…")
Den zweiten Band der feinen "Corto Maltese"-Neuauflage von Schreiber & Leser kann man problemlos unter das Motto "Piraten und ihre Schätze" stellen, schließlich dreht sich ein Großteil der in "Im Zeichen des Steinbocks" versammelten Geschichten um die Suche nach wertvollen Hinterlassenschaften diverser Freibeuter aus längst vergangenen Zeiten. Corto Maltese lässt sich natürlich nicht lumpen und ist diesbezüglich äußerst aktiv, schließlich hat er Kenntnis von einer mit reichlich Gold beladenen spanischen Galeone, die vor Brasilien gesunken sein soll. Bevor er sich dieser Sache annehmen kann, gilt es zunächst allerdings jede Menge anderer Abenteuer zu bestehen.
Für selbige sorgen mehrere neue Bekanntschaften, darunter der einst brillante und nunmehr versoffene Professor Jeremiah Steiner und der junge Tristan Bantam. Gemeinsam mit ihnen macht sich Corto Maltese von Paramaribo in Holländisch-Guayana aus auf den Weg, um die Halbschwester des britischen Erben aufzusuchen, dessen Leben in Gefahr schwebt. Gemeinsam mit Morgana Bantam geht die Reise weiter nach Bahia, dem nunmehrigen Salvador in Brasilien, wo Golden Rosemouth residiert – sie ist jene Voodoopriesterin, die Tristans Schwester in den schwarzen Künsten unterrichtet hat und Corto einen gutbezahltes Angebot macht, antikoloniale Aufständische mit Waffen und Geld zu versorgen.
Die erneut fantastische Einleitung mit Hintergrundinfos und Studien legt bereits nahe, wohin Hugo Pratt die Leser diesmal führt. Neben dem gewohnt souveränen Protagonisten, der sowohl süffisante Kommentare zum Besten geben als auch körperlich austeilen kann, wird nicht nur mit der Rückkehr von Rasputin eine Brücke zu den Ereignissen der
"Südseeballade" geschlagen, sondern mit der hier erstmals erwähnten Suche nach dem sagenhaften untergegangenen Kontinent Mu auch Kommendes angedeutet. Egal ob in der kolorierten oder der für Puristen gedachten Schwarz-weiß-Edition: Der zweite Band beweist ebenso, dass "Corto Maltese" seinen Platz im Comic-Pantheon mehr als verdient hat und es sogar unaufdringlich schafft, seinen Lesern in Sachen Geografie, Geschichte und Kultur noch etwas beizubringen.