In ebenso berührender wie unterhaltsamer Weise werden essentielle Fragen zu zwischenmenschlicher Wärme im Computerzeitalter gestellt.
"Träumen Androiden von elektrischen Schafen?", fragte einst Philip K. Dick in dem Roman, der nach diversen Änderungen zu Ridley Scotts Meisterwerk "Blade Runner" mutieren sollte. Seit sich der Mensch mit dem Phänomen der künstlichen Intelligenz nicht nur theoretisch, sondern dank der technischen Fortschritte zusehends auch in praktischer Form auseinandersetzt, stellt er sich die Frage nach der künftigen Rolle von Robotern in der Gesellschaft. Werden Computer in der Lage sein, menschliches Verhalten, menschliche Gefühle perfekt zu imitieren, sodass die Grenzen zwischen ihnen und ihren Erbauern verwischen? Sind Emotionen, ist Liebe nur ein chemischer Vorgang, der sich im Labor reproduzieren lässt?
Diese und ähnliche Fragen, auch wenn sie uns realistisch gesehen tatsächlich wohl erst in einigen Jahrzehnten direkt betreffen könnten, kommen anhand der von AV Visionen jetzt vorgelegten Gesamtausgabe von "Chobits" in den Sinn. Alle 24 Folgen in einer ansehnlichen Box bieten die Möglichkeit, das eben angeschnittene moralische Dilemma zu erleben, in das der 18- jährige Hideki Motosuwa schlittert. Der junge Mann vom Land kommt nach Tokio, um eine Aufnahmeprüfung zu absolvieren (die er schließlich versemmelt), und ist fasziniert ob der "Persocoms", die viele Menschen in der Großstadt bei sich haben.
Um sich einen der nützlichen Roboter in Menschenform, die als Begleiter, Arbeitskräfte und Kommunikationsmittel im Alltag dienen, leisten zu können, fehlt Hideki jedoch das nötige Geld. Umso praktischer, als er zufällig einen ausrangierten Persocom findet und ihn mit nach Hause nimmt. Der Android in Form einer hübschen jungen Frau verfügt allerdings über keine gespeicherten Erinnerungen und gibt zunächst nur das Wort "Chii" von sich. Diesen Namen gibt Hideki seinem Persocom schließlich und bringt ihm Wissen und Fertigkeiten für den Alltag bei. Eine Lektion, die ihm einer seiner neuen Bekannten gibt, wird ihn allerdings noch beschäftigen: Verliebe dich nie in einen Persocom. Doch Chii ist auch kein normaler Persocom…
Verpackt in äußerst sehenswerte Animationen und leichtfüßige Comedy-Einlagen, zieht die Geschichte um das Verhältnis von Hideki und Chii ab der zweiten Hälfte der Serie deutlich an, was Intensität und Tiefgang betrifft. Wer Action oder schlüpfrige Szenen sucht, ist bei "Chobits" definitiv falsch. Wer hingegen eine bewegende, souverän niemals die Grenze des Kitsches übertretende Abhandlung eines zutiefst menschlichen Problems erleben will, die sich je nach Sichtweise des Betrachters auch als Parabel auf soziale Vereinsamung, Materialismus und Technikhörigkeit lesen lässt, sollte sich dieses Juwel nicht entgehen lassen.
# # # Andreas Grabenschweiger # # #
Publisher: KAZÉ Anime