Die ersten Soloabenteuer von Kanadas eigener Heldentruppe aus der Feder von John Byrne sind einwandfreies Popcorn-Kino in Panelform.
In den späten 1970ern und 1980ern lief der kreative Motor bei Chris Claremont und John Byrne auf Hochtouren, unter ihrer Ägide traten die einige Jahre zuvor
neu formierten X-Men den stetigen Aufstieg in der Gunst der Leserschaft und der Verkaufswertungen an. Da Wolverine von Anfang an eines der berühmtesten Mitglieder der zweiten Inkarnation der Mutantengruppe war und man sich damals bezüglich seiner Vergangenheit eher bedeckt hielt, bot sich sein Leben vor dem Eintritt in Professor Xaviers Team wunderbar an, um ihn mit dem Auftritt eines neuen Superheldenteams zu verknüpfen.
Den vorliegenden Band leitet "Uncanny X-Men" 120 ein, das Alpha Flight einführte und dessen Versuche schilderte, Logan mit Gewalt in seine Reihen zurückzuholen. Das Debüt kam bei den Fans sehr gut an und 1983 erhielt John Byrne schließlich die Gelegenheit, die schon länger vorhandenen Ideen mit jeder Menge Bezug zum nördlichen Nachbarland der USA, in dem er aufgewachsen war, im Rahmen eines monatlichen Titels zu verwirklichen. Der Künstler fungierte dabei als Autor und Zeichner in Personalunion und lieferte Material für etwas mehr als zwei Jahre ab, bevor er sich anderen Aufgaben zuwandte.
Dank Hachette bekommen wir "Alpha Flight" 1-6 der ersten (und auch langlebigsten) Serie rund um James MacDonald Hudson und seine Mitstreiter zu lesen, dazu noch im Rahmen der Zweitgeschichten mit den Ursprüngen des Teams einige Seiten aus den beiden nächsten Ausgaben. Interessanterweise startete Byrne mit der Auflösung des Teams durch die Behörden, die er geschickt nutzte, um die diversen Selbstzweifel und Probleme der Mitglieder in Szene zu setzen. Neben einem Gastauftritt von Namor und Sue Storm und dem Master of the World sind es in Form von Tundra und Kolomaq vor allem uralte Monster, die für Ärger sorgen und an Marvel-Kost der frühen 1960er mit entsprechenden Antagonisten erinnern.
Mit dem kleinwüchsigen Puck und Marrina gesellen sich auch zwei Neue ins Team, wobei es schade ist, dass Letztere nach einem dramatischen Showdown im ewigen Eis binnen weniger Panels kurzerhand aus der Serie geschrieben wurde – ihre außergewöhnliche Herkunft hätte sicherlich Stoff für weitere dramatische Verwicklungen geboten. Alles in allem bietet John Byrne aber astreine Unterhaltung, die auf die Charakterarbeit nicht vergisst und schnell eine Verbindung mit den einzelnen Figuren herstellt. Und wenn man an "Alpha Flight" 6 denkt, in dem er das Geschehen auf sechs Seiten ohne Artwork der Fantasie der Leser überließ, nimmt sich das nicht nur für Marvel-Verhältnisse ziemlich avantgardistisch aus, sondern zeigt auch, was er sich damals aufgrund seiner künstlerischen Qualitäten erlauben durfte.