Es war ein langer Weg an die Verkaufsspitze des Marvel-Programms, den die X-Men mit ihrem Comeback 1975 antraten.
Fünf Jahre sind eine lange Zeit in der kunterbunten Welt der Comics. In diesem Zeitraum bringt es eine monatlich erscheinende Serie auf 60 Ausgaben, in denen viel passieren kann – erst recht in der Welt unserer allseits beliebten Superhelden. Besieht man sich die aktuellen Erfolge der X-Men auf Papier und erst recht auf der Leinwand, erscheint es im Nachhinein unglaublich, dass ab 1970 aufgrund schlechter Verkaufszahlen keine neuen Storys, sondern lediglich Nachdrucke älteren Materials in der 1963 gestarteten Serie "X-Men" erschienen. "Giant Size X-Men" 1 mit dem Coverdatum Mai 1975 stellte einen Neustart dar, der die Mutantentruppe über die Jahre zum Bestseller des Verlags samt zahlreicher weiterer X-Titel machen sollte.
Der Kniff, um den Lesern den Relaunch schmackhaft zu machen, war so einfach wie genial: Autor Len Wein ließ Professor Charles Xavier um die Welt jetten, um sowohl neue als auch alte Gesichter zu bitten, sein auf der Insel Krakoa verschollenes Originalteam zu retten. Als einziger von dessen Mitgliedern hatte Scott "Cyclops" Summers die Mission überlebt und führte (die Neuzugänge) Storm, Nightcrawler, Colossus und Thunderbird sowie Sunfire, Banshee und (den wenige Monate zuvor aufgetauchten) Wolverine an den Ort des Geschehens. Wie sich herausstellte, war Krakoa selbst ein Mutant und hatte die X-Men samt Professor X psychisch manipuliert, um ihre Kraft abzusaugen.
Das Team, so wie es sich in "Giant Size X-Men" 1 präsentierte, hatte allerdings nur kurzen Bestand, denn kurz darauf verabschiedeten sich Sunfire (im darauffolgenden "X-Men" 94) und Thunderbird ("X-Men" 95), wobei Letzterer einen wenig sinnvollen Tod starb und von Marvel zurecht bis heute nicht wieder ins Leben zurückgeholt wurde. Doch auch so gibt es viel zu entdecken, das für die X-Historie immer noch relevant ist und vom Nachfolger Len Weins, dem legendären Chris Claremont, erdacht wurde. Neben den Debüts von Moira MacTaggert und Banshees schurkischem Cousin Black Tom Cassidy werden in den in "Second Genesis" versammelten Kapiteln mehrere wichtige Grundsteine gelegt.
Allem voran kommt es zu jener Beinahe-Katastrophe im Weltraum, aus der die bis dahin eher als hübsches Beiwerk ihrer männlichen Kollegen präsentierte Jean Grey als Phoenix hervorging und folglich – Kenner wissen natürlich Bescheid – zu einem der bedeutsamsten und tragischsten Charaktere des X-Men-Kosmos avancierte. Ebenso ihren Anfang nehmen im Verlauf von "X-Men" 94-103 aber auch die Dreiecksbeziehung zwischen ihr, Scott Summers und Wolverine und das Liebesverhältnis zwischen Charles Xavier und Lilandra, der Herrscherin des Shi'ar-Imperiums, deren Ankunft auf der Erde hier allerdings platzbedingt nur mehr angedeutet werden kann.
Dave Cockrum, der alle der besagten Ausgaben gezeichnet hat und mit "X-Men" 108 vom für die weitere Entwicklung nicht unwesentlichen John Byrne abgelöst werden sollte, macht einen tollen Job und fängt die Dynamik des neuen Teams ebenso ein wie den Hauch der Tragik, der die Charaktere von Seite eins an umweht. Über Chris Claremonts prägende und unglaubliche 16 Jahre dauernde Arbeit an "X-Men (sowie diversen Spin-offs des sich in dieser Zeit entwickelnden, umfangreichen Programms mit einem "X" im Titel) muss an dieser Stelle wohl nicht mehr viel gesagt werden. Gemeinsam mit
Ausgabe 17, welche die "Dark Phoenix Saga" enthält, stellt der vorliegende Band den wohl bedeutsamsten Eintrag der X-Familie innerhalb von Hachettes Marvel-Sammlung dar. Nicht nur angesichts von elf US-Ausgaben am Stück ordentlich "value for money"!