Blanche macht sich auf die Suche nach den Mördern ihrer Schwester und gerät in die gefährliche Halbwelt zwischen Ausschweifungen und Verbrechen.
Nachdem sein gemeinsam mit Zeichner Bertrand Gatignol geschaffenes Gruselmärchen
"Petit" Ende 2015 eine würdige deutsche Ausgabe erhielt, hat Reprodukt kürzlich in Sachen Hubert noch einmal nachgelegt. "Fräulein-Rühr-Mich-Nicht-An", zuerst 2010/11 bei den Berlinern erschienen, ist eine nicht minder schicke Gesamtausgabe spendiert worden. Wer die damaligen vier Alben also noch nicht sein Eigen nennt (oder sie sich einfach nochmal in kompakter Form ins Regal stellen will), kann der eigenwilligen Protagonistin somit bequem bei ihrer ungeplanten Karriere in einem bekannten Pariser Amüsierbetrieb folgen.
Der Grund dafür ist eine Tragödie: Ihre lebenslustige Schwester Agathe wurde vor ihren Augen erschossen, nachdem Blanche einen Mord beobachtet hatte. Während die Polizei von Suizid ausgeht, ist sich die junge Frau sicher, dass der von den Medien als "Schlächter der Guinguettes" betitelte Serienmörder zugeschlagen hat. Getrieben vom brennenden Wunsch nach Rache heuert sie im Luxusbordell Pompadour an, in dem das letzte Opfer arbeitete. Sie schlüpft in deren Rolle als gestrenge Gouvernante und wird aufgrund ihrer Prüderie zu "Fräulein-Rühr-Mich-Nicht-An", was mehrere Kunden mit keinesfalls guten Absichten auf sie aufmerksam macht.
Der mitunter quirlige Strich von Zeichner Kerascoët sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die im Paris der frühen 1930er angesiedelte Geschichte eine tragikomische Angelegenheit ist, in der man unschuldige Charaktere mit der Lupe suchen muss (oder, wie im Fall von Annette, letztlich unter dem Schafott). Auch Blanche mutiert im Laufe der Handlung von der stillen Leidenden zur zielstrebigen Kämpferin, die sich auch die Hände schmutzig macht. "Fräulein Rühr-Mich-Nicht-An" liefert nicht nur einen verrucht-lieblichen Widerhall längst vergangener Tage, sondern ist wahlweise sowohl als Krimi, Drama oder Milieustudie mit allen Wassern der Seine gewaschen.