Der jüngste Spross des Königs der Riesen ist zwar winzig, wird aber auch von den Menschen nicht als ihresgleichen angesehen.
Ausgerechnet zu Tisch passiert es: Königin Emione verspürt ein Unbehagen im Unterleib und bringt unerwartet ein Kind zur Welt. Das sollte eigentlich ein Zeichen der Freude für das Herrscherhaus sein, doch das Baby ist von so kleiner Statur, dass es sich nicht von den Menschen unterscheidet. Und genau das stellt im Grunde ein Todesurteil dar, denn König Gabaal und sein Hofstaat ernähren sich, wie es seit langem Tradition hat, vom Fleisch der Menschen, die in einer riesigen Farm gezüchtet werden und ihnen im besten Fall alternativ als Diener und Berater zur Verfügung sein müssen. Die Königin jedoch rettet Petit, wie sie ihren Sohnemann schließlich nennt, und übergibt ihn der Obhut seiner Tante Desdea.
Die alte Dame verbringt ihre Zeit isoliert vom restlichen Hof, da sie aufgrund ihrer Zuneigung zu den Menschen und der Weigerung, diese zu verspeisen, geächtet wird. Die Bemühungen, aus ihrem Schutzbefohlenen einen charakterstarken jungen Mann zu machen, der dann letztlich bei den Seinen leben soll, werden allerdings nicht nur durch dessen Übermut gefährdet, sondern auch durch die Pläne seiner Mutter. Als sich Petit nämlich in eine hübsche junge Menschenfrau verliebt, die eigentlich als Nahrung für ihn auserkoren war, sieht sie die Chance gekommen, der durch Inzucht degenerierten Dynastie gesunden und starken Nachwuchs zu verschaffen.
Auf 176 Seiten entfaltet Hubert eine Geschichte, hinter deren märchenhafter Fassade nicht nur intelligent die stets zeitlose Dekadenz, Bereicherung und Grausamkeit von absoluten Herrschern gleich welcher Coleur verhandelt wird, sondern auch die Schwierigkeit von Menschen, zu ihrer eigenen Identität zu finden und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Bertrand Gatignol gelingt es dabei kongenial, sowohl die furchteinflößende Grimmigkeit der Menschenfresser zu Hofe als auch die porzellanhafte Zerbrechlichkeit ihrer kleinen Untertanen ins Bild zu setzen. Der pompösen Inszenierung der Erzählung steht die von Reprodukt gewählte Aufmachung in nichts nach: "Petit" kommt im edlen Hardcover-Band mit güldenem Titelschriftzug und Lesebändchen daher.