Der Ruf im Eimer, die Ehe zerrüttet, die erste Klientin nach dem Knastaufenthalt ermordet… Jessica Jones ist wahrlich nicht zu beneiden.
Bevor sich Brian Michael Bendis, der das Marvel-Universum in den 2000ern und 2010ern prägte wie kein anderer Autor, per Exklusivvertrag in Richtung DC verabschiedete, ließ er mit "Civil War II" noch einmal ordentlich die Event-Puppen tanzen. Hachette hat den Nachfolger des
wichtigsten Crossovers im "House of Ideas" in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends in den Bänden
187 und
191 seiner Sammelreihe vorgelegt. In Form der vorliegenden Ausgabe gibt es in gewisser Weise nochmal ein Nachspiel, nämlich einen kleineren Storyfaden, den er in der Haupthandlung ausgelegt hat, um ihn in der 2016 (im Vorfeld der Netflix-Adaption) gestarteten zweiten monatlichen Serie von Jessica Jones aufzunehmen.
In "Civil War II" ließ Captain Marvel, die die Fähigkeiten eines Inhuman zur Voraussage zukünftiger Ereignisse etwas zu gewagt einsetzte (und darüber mit Tony Stark in Streit geriet), eine Frau namens Alison Greene verhaften, der sie die Tätigkeit für die Terrororganisation Hydra anlasten wollte. Wie sich damals herausstellte, war besagte Dame unschuldig, taucht jetzt aber bei Jessica Jones auf und will ihr finanziell auf die Beine helfen, wenn sie ihr Insiderinfos zusteckt, um Carol Danvers & Co. um die Ecke zu bringen. Die Privatdetektivin könnte die Scheine gut brauchen, schließlich wurde sie soeben aus dem Knast entlassen und zankt sich mit Ehemann Luke Cage um die gemeinsame Tochter. Als wäre das nicht schon schlimm genug, wird auch noch die erste Klientin, die sich nach ihrer Rückkehr aus der Haft bei ihr gemeldet hat, umgebracht.
Und das wiederum hat mit der vorgeblich unbedeutenden Rolle von normalen Menschen im Kontext der großen, multidimensionalen Veränderungen im Marvel-Universum zu tun, die wir gefühlt alle paar Jahre zu lesen bekommen – während Jessica irgendwie zwischen diesen beiden Welten steht und damit klarkommen muss. Die ersten sechs von 18 "Jessica Jones"-Heften, die dieser Band präsentiert, zeigen das einstige "Alias"-Kreativteam in Hochform: Es braucht keine großartige Action, die liegt ohnehin in den Dialogen von "BMB". Dem Mann reicht es quasi, wenn zwei Leute in einem Raum stehen und reden. Michael Gaydos wiederum liefert zusammen mit Farbenmeister Matt Hollingsworth die perfekte Kulisse für die gedämpfte, von Zynismus durchzogene, Grundstimmung und die Perspektive von unten, die den Charakter ausmacht.