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Cinema Purgatorio

Nicht in Technicolor, aber stilvollem Schwarzweiß beschwören Alan Moore und Kevin O`Neill die goldene Ära Hollywoods ausgerechnet in der Enge eines versifften, unheimlichen Kinos herauf.

Cinema PurgatorioAvatar Press, 1996 ins Leben gerufen, war über Jahre hinweg ein heißer Tipp für unkonventionelle, an ein erwachsenes Publikum gerichtete Titel und brachte unter anderem Indiehits wie "Gravel" und "FreakAngels" von Warren Ellis oder die postapokalyptische Saga "Crossed" hervor. Mittlerweile fällt der Verlag im monatlichen "Previews"-Vorschaukatalog allerdings nur mehr durch den Abverkauf alter Lagerbestände auf, aus seinem untoten Leib hat sich Josua Dantes schon das eine oder andere Filetstückchen herausgeschnitten und das hiesige Publikum mit zahlreichen deutschsprachigen Erstveröffentlichungen versorgt.


Den letzten großen Wurf von Avatar stellte die Anthologieserie "Cinema Purgatorio" dar, die unter der Schirmherrschaft von niemand Geringerem als Comic-Gott Alan Moore zahlreiche hochkarätige Kreativkräfte versammelte. Die im US-Original episodisch erschienen Storys wurden jeweils in einem Band kompakt abgedruckt, nach "The Vast", "Modded", "Code Pru" und "A More Perfect Union" folgt als großes Finale die titelgebende Reihe, für die sich der Meister höchstpersönlich mit Kevin O`Neill, seinem kongenialen Kompagnon von "The League of Extraordinary Gentlemen", zusammentat.


Eine mögliche Erklärung, warum sich der Dantes Verlag dieses Herzstück des Projekts für den Schluss aufgehoben hat, beginnt der geneigten Leserschaft wohl zu dämmern, sobald sie die ersten der wie auch bei den Vorgängern wenige Seiten langen Kapitel hinter sich haben – und die dazugehörigen Anmerkungen, für die Jens R. Nielsen einen ungeheuren Aufwand betrieben haben muss, der ihn über bloßes Übersetzen hinaus fast schon in die Position eines Universalgelehrten entrückt. Das Dechiffrieren geht sogar so weit, dass manche Anmerkungen mehr Seiten füllen als das ihnen zugrunde liegende Quellenmaterial – in den Augen derer, die sich ihre Comics nicht gern erklären lassen, dürfte das wohl einer Perversion gleichkommen, für alle anderen eine edukative Vollbedienung darstellen.


Informativer, spannender und augenzwinkernder lässt sich das ungemein referenzreiche Material von Alan Moore eigentlich nicht mehr aufschlüsseln – eine großartige Leistung, die den Lesegenuss maßgeblich befördert und offenbart, dass hier mit charmantem Vorsatz oftmals Gerüchte und Verschwörungstheorien als Wahrheit ausgegeben werden. Über die Erzählung selbst brauchen nicht allzu viele Worte verloren werden, der in den letzten Jahren qualitativ mitunter schwankende Engländer präsentiert sich hier in Hochform und verquickt Motive eines guten halben Jahrhunderts an Filmgeschichte miteinander. Dieses erleben wir aus der Perspektive einer uns unbekannten (weiblichen) Person mit, welche sich ins namensgebende Lichtspielhaus "verirrt" und gefangen von einer Mischung aus Faszination und Abscheu immer wieder dorthin zurückkehrt.


Und alle sind sie dabei: Die frühen Stummfilmgrößen, die Stars und Sternchen, die großen Mogule und viele längst vergessene Vergessene samt ihren Triumphen, Tragödien und Skandalen, die namenlosen Wasserträger des Filmgeschäfts und die vom Geld angezogenen Motten aus der Unterwelt, gefangen in einem untoten Panoptikum, das uns in der entseelten Netflix-Bequemlichkeit die einstigen Wunder eines Kinosaals, und sei er noch so versifft, bestenfalls erahnen und in gewisser Hinsicht sogar riechen lässt. Dieser Band war die Wartezeit allemal wert und lädt geradezu ein, es der (un)freiwilligen Kinogeherin gleichzutun und immer wieder zu kommen!

 
# # # Andreas Grabenschweiger # # #



Publisher: Dantes Verlag


 
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