Fast 10 Jahre nach der Auflösung ihrer gemeinsamen Band CARTER THE UNSTOPPABLE SEX MACHINE stehen Jim Bob und Fruitbat wieder auf einer gemeinsamen Bühne: einmal in Glasgow und einmal in Londons Brixton Academy. Endlich eine Reunion, die Sinn macht!
The comfort and the joy of feeling lost
Pünktlich um 19 Uhr öffnet das Glasgower Barrowlands, ein alter Tanzsaal mit klebrigem Parkettboden im Glasscherbenviertel der schottischen Metropole. "Carlsberg – Probably the best beer in the world - at probably the best venue in the world" lachen einem die Wände entgegen. Das Barrowlands hat sie alle abgefüllt: von den SMITHS und Elvis Costello, bis zu den BABYSHAMBLES und BLOC PARTY. Die ersten gesichteten T-Shirts verheißen einen großen Abend: Da haben sich doch tatsächlich Enddreißiger noch einmal brav in ihre engen Teenager-CARTER USM-Shirts gezwängt, um sich selbst und andere mit komplett sinnfreien Botschaften wie "You fat bastard!", "Bigger than the Beetles" oder "Carter – das aufregend andere condom" zu beglücken. I like!
Wie das mit der Nostalgie so ist: Man darf auch Jahre später noch einmal einen drauf machen, aber was die Frisuren angeht, da hört sich der Spaß auf. Aus diesem Grund stolpert auch der Sänger der Vorband dieses Abends, der FRANK AND WALTERS, mit Hemd und modischem Kurzhaarschnitt auf die Bühne. Wenn man sich anno 07 Videos dieses lustigen three-piece aus Cork genehmigt, so sind die orangen T-Shirts, gepaart mit Topffrisuren, ein wirklicher Brüller. Besonders erwähnenswert - die 120 Minutes-Generation kann sich daran vielleicht noch erinnern - ihr impressionistisches Musikgemälde zu "This Is Not A Song" vor der Kulisse der Stadt Salzburg und der umliegenden Berglandschaft. Im Barrowlands spielt die Band ein solides Set von einer knappen Dreiviertelstunde, pflichtgerecht beendet mit ihrem größten Hit, "After All".
Das schottische Publikum möchte auch zwischen den Bands bei Laune gehalten werden, erträgt auch vor der Hauptband kein Elektronikgeblubber, stattdessen dürfen alle einmal dadada-dadada-da da da da von den FRATELLIS mitgrölen, und spätestens bei "Sit Down" von JAMES ist die Atmosphäre dem Ausnahmezustand nahe. Licht aus. Und wer kommt auf die Bühne? Ein nackter Mann um die 40, bei genauerem Betrachten wird klar, dieser Typ war zu Zeiten des CARTER-Albums "30 Something" das You Fat Bastard-Maskottchen, eine Projektionsfläche für all das, was aus dem Publikum niemals werden darf. Herzlichst fliegen ihm auch diesmal wieder die Bierbecher um die Ohren, "you fat Bastard!" unisono, auf den Bauch hat sich der Arme an diesem Abend "I don’t do this anymore!" gekritzelt, klar dass ihm das nix nützt.
Der CARTER-eigene Synthieteppich, der zu Beginn immer ein wenig cheesy klingt, und erst in Kombination mit Jim Bobs und Fruitbats Gitarrenriffs seine wahre Funktion erfüllt, wummert gleich darauf durch den Saal: mit "Surfin` USM" starten die beiden in das erste ihrer beiden "Abschiedskonzerte", wie es die Band selbst auf ihrer Webseite genannt hat. Apropos die "beiden": CARTER formierten brereits Ende der 80er Jahre als Duo, ab Mitte der 90er mit Schlagzeuger, für die letzten beiden Alben holten sie sich weitere Musiker an Bord. Im Barrowlands wird rasch klar, dass es an diesem Abend ausschließlich ein Best Of der ersten vier Alben geben wird - "101 Damnations", "30 Something", "1992 The Love Album" und "Post Historic Monsters" - jener Zeit also, in der Jim Bob und Fruitbat die einzigen Stimmen von Carter waren.
"If it`s good enough for TAKE THAT, it`s good enough for us" – die ersten Worte ans Publikum machen klar, dass es keine ironiefreie Reunion nach 10 Jahren geben wird. Die Show ist simpel gestrickt, Jim Bob und Fruitbat spielen ihre Schrummschrummgitarren zu teilweise bombastischen Arrangements, die wie bei ihren ersten Darbietungen aus dem Hintergrund zugespielt werden. Dazu gibt es einen dezenten Einsatz der Videowall, die besonders bei Zuspielung der frühen und längst verschollenen Videos großen Anklang findet.
Die beiden bewegen sich souverän durch ihr Programm von 20 Nummern, gerade so, als hätten sie die letzten 10 Jahre nie etwas anderes gemacht. In der Tat hat keiner von den beiden das Spielen wirklich verlernt – Jim Bobs selbstbetiteltes Soloprojekt beschert ihm zumindest in Großbritannien sporadisch Auftritte, während Fruitbat mit ABDOUJAPAROV bereits mehrere Australien-Tourneen absolvierte (die Band ist benannt nach einem usbekischen Radrennfahrer, der durch martialischen Fahrstil und spektakuläre Stürze zu einem Liebling der Fans avancierte).
Die Show an diesem Abend ist ein guter Mix an schnellem, punklastigen Material, wie "Midnight On the Murder Mile" oder "RSPC Everything", bis hin zum triefenden Don Quixote-Pathos von "The Impossible Dream". Dazwischen, sehr zum Gefallen des Publikums, geben die beiden auch wieder zwei ihrer raren Coverversionen zum besten, "Rent" von den PET SHOP BOYS und "This Is How It Feels" der INSPIRAL CARPETS. Korrekterweise müsste es heißen zweieinhalb Coverversionen, zumindest nach dem Enthusiasmus zu urteilen, mit dem die Besucher "Ruby Tuesday" bei "After The Watershed" anstimmen.
CARTER beenden den Abend mit ihrer Hymne an den anonymen G.I., der alkoholisiert und kettenrauchend aus dem Kriegsgebiet heimkehrt. Und zum Abschied noch eins drauf: Auf der Videowand lacht dem Publikum plötzlich Eric Idle entgegen, gut gelaunt ans Kreuz gefesselt pfeift er "Always Look On The Bright Side Of Life". Wir haben’s ja immer gewusst. Schon kurz darauf ist der Saal wie leergefegt – das Rauchverbot in der Halle treibt das Publikum in Windeseile an die frische Luft.
Falls jemand bis hierher gelesen haben sollte, nur um etwas über die Frisur der Hauptband zu erfahren: Ja eh. Natürlich hat sich Jim Bob diesen bizarren Pferdeschwanz mitten durchs Gesicht auch abgeschnitten. Wir haben schließlich 2007.
###Jan Kubis###
Das komplette Set:Surfin’ USM
My Secon To Last Will and Testament
Good Grief Charlie Brown
Midnight On The Murder Mile
Say It With Flowers
Do Re Me, So Far So Good
Re-Educating Rita
Sealed With A Glasgow Kiss
Rent
Anytime Anyplace Anywhere
The Only Living Boy In New Cross
After The Watershed
A Prince In A Pauper’s Grave
Lenny And Terence
Glam Rock Cops
R.S.P.C.E.
Lean On Me, I Won’t Fall Over
Bloodsport For All
The Music That Nobody Likes
The Impossible Dream
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Is Wrestling Fixed?
A Sheltered Life
This Is How It Feels
Sherrif Fatman
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GI Blues