1891: New York wird zum Schauplatz furchtbarer Verbrechen. Der wohl gefürchtetste Mörder überhaupt hat sein Jagdrevier nach Amerika verlegt... Jack the Ripper.
In New York gehört das Verbrechen für die Menschen zum Alltag, doch die brutalen Frauenmorde, die die Stadt seit einigen Wochen erschüttern, verunsichern selbst die hartgesottenen Bewohner der amerikanischen Metropole. Um auf den zunehmenden Druck der Presse zu reagieren und der Öffentlichkeit endlich erste Ergebnisse präsentieren zu können, beschließt man ein neues Ermittlerteam auf den Fall anzusetzen. Aus den Reihen der New Yorker Polizei fällt die Wahl auf Joseph Argenti, einen bodenständigen Cop mit italienischen Wurzeln und für Bestechungsversuche unempfänglich.
Ihm an die Seite stellt man den britischen Kriminalanalytiker Finley Jameson und seinen Assistenten Lawrence, die beide bereits in die Ermittlungen in London involviert waren. Jameson gilt als Experte für die Ripper-Morde und kennt wie kein Zweiter den Modus operandi des Killers. Argenti ist zunächst skeptisch, was seinen neuen Partner betrifft, denn das Verhalten des britischen Kollegen erscheint gelegentlich befremdlich. Nicht weiter verwunderlich, denn niemand kennt das dunkle Geheimnis des englischen Kriminalisten.
Schnell stellen sich erste Erfolge ein, doch dann wird offenbar, dass man sich scheinbar im Kreis dreht, zusätzlich verspottet der Mörder seine Verfolger in der örtlichen Presse. Ernüchterung macht sich breit. Das ungleiche Duo kann ja nicht ahnen, dass eine andere Interessensgruppe alles daran setzt, die beiden Ermittler zu sabotieren wo es nur geht. Derweil geht der Mörder unbeeindruckt seinem blutigen Handwerk nach.
Jack the Ripper ist so etwas wie der Superstar unter den Serienmördern, was sicherlich dem Umstand geschuldet ist, dass er nie gefasst wurde und seit nun mehr über hundert Jahren die Fantasie der Menschen beflügelt. Im Laufe der Jahre gab es unzählige Theorien, wer die grauenvollen Verbrechen verübt haben könnte. Sie reichen von russischen Einwanderern bis hin zu einem Mitglied des Königshauses.
Eine dieser unzähligen Möglichkeiten greift auch "Stadt in Angst" auf, nämlich jene, nach der es dem Killer gelungen ist, unerkannt das Land zu verlassen, um an anderer Stelle sein blutiges Treiben fortzusetzen, genauer gesagt in den Vereinigten Staaten. Die Vorstellung, dass die von John Matthews aufgegriffene Theorie der Wahrheit entsprechen könnte, ist eine der großen Stärken des Romans. Dem Autor gelingt es, ein enormes Maß an Glaubwürdigkeit in die geschilderten Ereignisse einfließen zu lassen, bis hin zur Aufklärung wer der Ripper ist und was seine Motivation zu töten. Dies unterscheidet "Stadt in Angst" von einigen ähnlich gelagerten Publikationen, bei denen die Aufklärung zu fantastisch oder zu abwegig erscheint, bei Matthews hat man jedoch ständig das Gefühl, dass es sich genau so abgespielt haben könnte.
Doch das allein macht "Stadt in Angst" noch zu keinem guten Buch, sein wirkliches Potenzial entfaltet sich in der Figurenzeichnung. Zwar ist beim Charakter des Joseph Argenti noch Luft nach oben, mit Finley Jameson präsentiert sich dem Leser jedoch ein vielschichtiger Handlungsträger mit Ecken, Kanten und Abgründen, die ihn sehr menschlich erscheinen lassen, und der vor allem Stoff für weitere Abenteuer bereithält. Dazu kommt Lawrence, der autistische Gehilfe Jameson, der ein gehöriges Maß an Originalität in die Geschichte einbringt und so dazu beiträgt, sich von anderen Veröffentlichungen des Genres abzuheben.
Eine Gänsehaut verursachen aber jene Passagen von "Stadt in Angst", die aus der Sicht des Mörders geschildert werden und dem Leser Zutritt zur Gefühls- und Gedankenwelt eines Monstrums gewähren. Es offenbart sich ein krankhaft genialer Charakter und schnell wird klar, warum er den Ermittlungsbehörden lange Zeit immer einen Schritt voraus ist und sogar beginnt, seine Gegenspieler öffentlich zu verhöhnen. Matthews gelingt es mit diesen Abschnitten, den Leser unmittelbar mitverfolgen zu lassen, wie der Ripper seine Beute auswählt und von welchen Zwängen er dabei getrieben wird. An diesen Stellen entwickelt das Buch eine enorme Sogkraft und man kommt nicht umhin weiterzulesen.
Abgerundet wird der Roman durch eine äußerst lebhafte Darstellung der Lebensverhältnisse in der Metropole New York im ausgehenden 19. Jahrhundert. Äußerst plastisch erwacht ein vergangenes Zeitalter zum Leben und bereits nach wenigen Seiten nehmen die unterschiedlichsten Facetten der Stadt vor dem geistigen Auge Gestalt an. Hier wird nichts beschönigt. Der Dreck, die Gewalt und die Armut, mit der viele Bewohner New Yorks zu dieser Zeit zu kämpfen haben, ist allgegenwärtig und verleiht den geschilderten Ereignissen eine gehörige Portion Realismus.
Dies trifft auch auf die allgegenwertige Korruption zu, mit der die New Yorker Polizei dieser Tage zu kämpfen hat die und viele Ermittlungen im Sande verlaufen lässt, weil unterschiedliche Gruppen ein Interesse daran haben. Warum Gier ein häufiges Motiv für ein Verbrechen ist, wird hier nur zu deutlich, lieber vereitelt man die Ergreifung eines Mörders als dass man auf eigene Vorteile verzichtet. "Stadt in Angst" ist ein historischer Kriminalroman, der durch seine detailgetreue Wiedergabe der Verhältnisse, starke Figuren und einen durchdachten Plot punkten kann. Eine auf dem Waschzettel angedeutete mögliche Fortsetzung ist absolut zu befürworten und hoffentlich in nicht allzu weiter Ferne.