David Kushners Buch ist nicht nur für "GTA"-Fans, sondern für jeden Videospiel- und Popkultur-Interessierten eine Pflichtlektüre.
Als
"Grand Theft Auto IV" im April 2008 (zunächst für Xbox 360 sowie PS3 und mehr als ein halbes Jahr später auch für PC) veröffentlicht wurde, brach es mehrere Verkaufsrekorde: Bereits am Releasetag wurden weltweit rund 3,6 Millionen Kopien abgesetzt, nach einer Woche an die 6 Millionen mit mehr als einer halben Milliarde Dollar Umsatz. Die Entwickler von Rockstar Games waren damit am vorläufigen Höhepunkt ihres Schaffens angekommen, das wie bei wenigen anderen Konkurrenten von Skandalen und Provokationen ebenso geprägt war wie von spielerischer Innovation und revolutionären Visionen. Doch wer steckt hinter der Firma, die mit dem ersten "GTA" aus dem 1997 einen der erfolgreichsten Franchises aller Zeiten mit bis dato mehr als 114 Millionen verkauften Spieleinheiten begründet hat?
David Kushner, der seit den späten 1990er Jahren unter anderem für die "New York Times", "Rolling Stone" und "Wired" den Finger an den Puls der Videospielindustrie gelegt hat, lüftet in "Jacked: The unauthorised behind-the-scenes story of Grand Theft Auto" den Schleier um das Team von Rockstar Games. Allen voran Sam Houser, hineingeboren in eine popkulturell höchst engagierte Familie, der binnen weniger Jahre vom leidenschaftlichen Film- und Spielefan zum hartnäckigen Prediger einer neuen Art von Unterhaltung auf PC und Konsolen mutiert. Im schottischen Dundee findet er im Team von DMA Design innovative Mitstreiter, die einer langweiligen Autofahrer-Simulation aus der Vogelperspektive eine entscheidende Zutat hinzufügte: Gewalt.
Klingt und klang für Legionen an Kritikern bis heute simpel, war aber revolutionär und versetzte den Gamer wie nur selten zuvor in die Lage des Schurken. Spiele mit Drachen und holden Jungfrauen waren Sam Housers Sache nicht, vielmehr drängte er darauf, das Medium der Zielgruppe Kinder zu entreißen und Erwachsenenunterhaltung auf höchstem Niveau zu bieten. Mit liebevoll und unglaublich spaßigem Gameplay und – stets ganz wichtig! – der richtigen PR setzten "GTA" und seine Nachfolger zu unglaublichen spielerischen und kommerziellen Höheflügen an, deren Ende bis heute nicht abzusehen ist.
Dass auf dem Weg riesige Steine lagen, versteht sich von selbst: Moralapostel wie Jack Thompson, der zur Nemesis von Sam Houser avancierte, versuchten Rockstar stellvertretend für eine erwachsen gewordene Videospielindustrie, die heute mehr denn je die gewalttätige Gesellschaft zwar abbildet, aber in der Regel keinesfalls glorifiziert oder gar propagiert. Das Spannungsfeld dieses kleinen, aber gewaltigen Unterschieds lotet Kushner folgerichtig präzise aus und macht auch vor Irrtümern, Fehlschlägen und überzogenen Marketingmaßnahmen von Houser und seinen Rockstars nicht Halt. Wer nicht nur die Bedeutung der "GTA"-Reihe für die Videospielhistorie verstehen, sondern auch einen höchst aufschlussreichen Einblick in das kulturelle, soziale und politische Umfeld seiner Entstehung erhaschen will, sollte sofort zu diesem preisgünstigen Paperback greifen. Prädikat: Äußerst wertvoll!
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Publisher: Collins