Eine bizarre Mordserie aus der Vergangenheit wirft ihre Schatten bis in die Gegenwart und konfrontiert Sigmund Freud mit einem seiner härtesten Fälle
Mit der achten Folge "Krankheit und Symptom" geht die zweite Staffel von "Prof. Sigmund Freud" zu Ende. Nach
"Hassliebe" war die Überzeugung groß, dass die nächste Folge nur schwer zu toppen sein würde. Der Autor dieser Zeilen musste sich allerdings eines Besseren belehren lassen, "Krankheit und Symptom" setzt der Serie die verdiente Krone auf und stellt die bisher beste Folge. Waren die Vorgänger zwar alle durchwegs spannend gestaltet, so stand doch ein eher getragener, behäbiger Ton mit einem großen Augenmerk auf Dialoge im Vordergrund.
Mit der aktuellen Folge weicht man von dieser Herangehensweise ein wenig ab und bindet auch actionlastigere Passagen in den Ablauf mit ein, was der Handlung gut zu Gesicht steht und für eine gewisse Auflockerung sorgt. Dabei wird allerdings keineswegs auf die bisherigen Trademarks der Serie verzichtet, nach wie vor darf der Hörer an den inneren Zwiegesprächen zwischen Freuds Ich, Es und Über-Ich teilhaben und auch auf die gewohnt guten Dialoge wird nicht verzichtet.
Wieder einmal eher zufällig wird Sigmund Freud in den vorliegenden Fall und die daraus erwachsenden Ermittlungen verwickelt. Bei der Sanierung einer der Wiener Justizvollzugsanstalten wird in einer Mauer verborgen das Tagebuch eines ehemaligen Insassen der Anstalt entdeckt. Der Inhalt entpuppt sich als äußerst brisant, denn anstatt der Überlegungen und Gedanken, die ein solches Werk üblicherweise enthält, berichteten die Seiten in detaillierter Art und Weise von einer bisher unbekannten Mordserie. Das ungewöhnliche Fundstück wird dem Gendarm Karl Gruber übertragen, der sich mit den Aufzeichnungen an Professor Freud wendet.
Er erhofft sich, mit dessen Hilfe den bisher unbekannten Mörder aufspüren zu können. Schnell ergibt sich eine größere Anzahl Verdächtiger, die sich aus den ehemaligen Bewohnern der Zelle, in der das Tagebuch entdeckt wurde, speist. Wird es möglich sein, den Täter nach so langer Zeit zu stellen und ist er überhaupt noch am Leben? Trotz der vielen Widrigkeiten gibt Freud nicht auf und verbeißt sich in diesen höchst interessanten Fall, denn es scheint sich zu allem Überfluss um keinen gewöhnlichen Mörder zu handeln, sondern einen Menschen, der von einer Reihe von Zwängen zu seinen Taten gedrängt wird.
Wieder einmal ist es dem Produktionsteam von Stil gelungen, gute Krimiunterhaltung geschickt mit psychologischen Aspekten und Krankheitsbildern zu verquicken. Hier kommt garantiert keine Langeweile auf. Die Dialoge sind wieder einmal gut ausgearbeitet und lassen keinerlei Wünsche offen. Die Geräusche sind wie bereits in den vorherigen Folgen eher dezent eingesetzt, befinden sich aber wie gewohnt immer an der richtigen Stelle und unterstützen die Vorstellungskraft des Hörers. Selbiges gilt für die eigens komponierten Musikstücke, die einen passenden Rahmen für die geschilderten Ereignisse liefern, dies gelingt auch hier, obwohl das Tempo gegenüber anderen Folgen dieses Mal deutlich anzieht.
Hans Peter Hallwachs ist die Idealbesetzung des bärbeißigen und Zigarre rauchenden Mitsechzigers und liefert hier eine der stärksten Interpretationen seiner Rolle ab. Andreas Fröhlich steht dem in nichts nach und bringt hier erstmals eine neue Seite seines Charakters ein, die des liebenden Familienvaters, der alles daran setzt diese zu beschützen, egal was er dafür tun muss. Selbiges gilt auch für Felicitas Woll als Freuds Tochter Anna. Die Nebencharaktere sind passend zu ihren Rollen gut besetzt und bieten einige bekannte Stimmen auf, wie Joachim Pukaß, Karen Schulz-Vobach und Michael Pan. Alle wissen bei der Interpretation ihrer Figuren zu überzeugen und schaffen es, beim Hören ein deutliches Bild vor dem geistigen Auge zu erzeugen.
Das Cover ist wieder in einem neuen Farbton gehalten und wird vom Gesicht Freuds dominiert. Das Booklet enthält erneut einige Ergänzungen zum Inhalt und liefert einige Hintergrundinformationen zum Gehörten. Bedarf es wirklich noch mehr Argumente, um einer der aktuell besten Hörspielserien eine Chance zu geben? Wohl kaum!
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Publisher: Stil