Einer der größten Köpfe der deutschen Geschichte geht auf spektakuläre Weise verloren. Wer hat Schillers Schädel gestohlen und zu welchem Zweck?
Frankfurt 1830. Das noch junge Jahr taumelt dem Höhepunkt der Fastnacht entgegen. Selbst das ehrwürdige Senckenberg Museum richtet anlässlich des Karnevals einen opulenten Maskenball in seinen Räumlichkeiten aus. Während die Mehrheit der Gäste die ausgelassene Stimmung genießt, kommt es in den Kellergewölben des Hauses zu einem aufsehenerregenden Diebstahl. Der Schädel des Dichters Schiller wird von einem Unbekannten gestohlen. Lediglich die junge Museumsangestellte Millicent Wohl versucht erfolglos, den Dieb zu stellen.
Die folgenden Ermittlungen der Polizei verlaufen schleppend und ohne großen Enthusiasmus. Lediglich Milli ist nicht bereit, den Vorfall auf sich beruhen zu lassen. Überraschend bekommt sie Hilfe von unerwarteter Seite. Der Dichter und Geheimrat Goethe weilt unerkannt in der Stadt und hegt ein großes Interesse an der Aufklärung des ungewöhnlichen Verbrechens. Gemeinsam mit seinem geschätzten Adlatus Abaris begibt sich Milli auf eine abenteuerliche Reise. Schausteller und Vagabunden kreuzen ebenso ihren Weg wie Okkultisten mit finsteren Zielen und Wesen, die eigentlich nur in Sagen und Legenden existieren dürften.
"Die Schattensammlerin" kann man getrost als absolutes Muss für jeden Hörspielfan bezeichnen, denn hier haben wir es mit einer Produktion zu tun, die sprüht nur so vor Einfallsreichtum und Kreativität. Die sich hinter dem Namen T. S. Orgel verbergenden Brüder Tom und Stephan Orgel erschaffen einen Mystery-Krimi, der von der ersten Minute an zu begeistern weiß. Geschickt verbinden sich historische Begebenheiten mit einem rasanten Krimiplot, der mit einigen übersinnlichen Einsprengseln angereichert und einer Reise in die Welt der Geheimbünde und Logen verbunden wird.
Ausnahmslos alle Figuren, denen man während der über neunstündigen Reise in eine Welt der Mythen und Magie begegnet, zeichnen sich durch Detailverliebtheit und Vielschichtigkeit aus. Jeder Charakter verfügt über eine enorme Tiefe und ein großes Maß an Authentizität. Gerade die Idee, eine junge und selbstbewusste Frau in einer von Männern dominierten Welt als Hauptfigur zu etablieren ist mutig, kann aber auf ganzer Linie überzeugen. Dafür bekommt Milli zwei wichtige Waffen an die Hand, die dieses Hörspiel für sein Publikum so überaus unterhaltsam machen, denn neben den vielen spannenden und manchmal auch gruseligen Momenten sind es ihre Ironie und Sarkasmus, die dem ganzen Geschehen eine humorvolle Note mitgeben.
Ein ironischer Unterton macht sich übrigens fast immer bemerkbar und stellt von Anfang an sicher, dass man das ganze Geschehen nicht immer allzu ernstnehmen sollte. Unerwartete Wendungen kommen trotz allem niemals zu kurz und ergänzen sich perfekt mit den bereits erwähnten, eher heiteren Momenten. Trotz der sehr großzügigen Laufzeit kommt es nur selten zu Längen und man kann "Die Schattensammlerin" ohne Umschweife als eine der bedeutendsten Produktionen der letzten Jahre benennen. Neben einer gründlichen Recherche der historischen Gegebenheiten, die man hier als absolut gegeben erachten kann, ist es eine mutige Entscheidung, einige der Figuren in Dialekten sprechen zu lassen, die an dieser Stelle jedoch absolut überzeugt.
Geräusche und musikalische Gestaltung gehen vollkommen in Ordnung und wissen ebenfalls zu überzeugen. Als einziger Wermutstropfen auf der Produktionsseite erweist sich der sehr abrupte Schnitt am Ende der Kapitel, hier hätte man sauberer arbeiten müssen. Tanja Geke überzeugt mit einer grandiosen Erzählstimme und führt mit ihrem warmen und markanten Organ durch das Geschehen. Leonie Rainer übernimmt die Rolle der Millicent Wohl und drückt der Figur von der ersten Minute an ganz eigenen Stempel auf. Überaus hörenswert – Gleiches gilt für Peter Miklusz und Friedhelm Ptok als Abaris und Goethe. Dazu gesellen sich viele weitere großartige Akteure, die allesamt zu gefallen wissen.