Mitte der 2000er Jahre fügte Brian Michael Bendis der Marvel-Geschichte eine geheime Gruppe hinzu, um ein neues Licht auf Ereignisse der Vergangenheit und Gegenwart zu werfen.
"Retroactive continuity", also das nachträgliche Eingreifen in Geschichten, ist der geneigten Comic-Leserschaft bestens vertraut. Die Änderungen können dabei vom bloßen Geradebiegen von Fehlern und Widersprüchen bis hin zu einer kompletten Änderung des Status quo reichen – und wer sich als kreativer Geist in so manches liebgewonnene Terrain der Fans wagt, kann im schlimmsten Fall auf ein veritables Minenfeld treten, wenn etwa ein gut gemeintes Update für Held X oder Schurke Y nach hinten losgeht. Einen Mittelweg stellt es dar, der ursprünglichen Erzählung neue Aspekte abzuringen und hier und da Ergänzungen anzufügen, die manches in einem anderen Licht oder sogar logischer erscheinen lassen.
Genau darum dürfte es Brian Michael Bendis gegangen sein, als er ab 2005 zunächst in "New Avengers" die sogenannten Illuminati vorstellte – eine Gruppe mehrerer prominenter Köpfe des Marvel-Universum, die gleich dem, was wir mit dem konspirativ aufgeladenen Begriff verbinden, gewisse Vorgänge abseits der Öffentlichkeit zu steuern versuchen. Tony Stark, Reed Richards, Doctor Strange, Black Bolt, Charles Xavier und Namor trafen sich im Verborgenen, zunächst auch in Wakanda mit dessen Herrscher T`Challa, wie wir in "New Avengers: Illuminati – The Road to Civil War" erfahren, das diesen Band einleitet.
Als Impuls für die Gründung der für die Sicherheit der Erde engagierten Runde etablierte Bendis den
Kree/Skrull-Krieg, um anschließend und in der ebenfalls abgedruckten Miniserie "New Avengers: Illuminati" 1-5 von 2007 (hier zusammen mit Co-Autor Brian Reed) viele weitere bekannte Ereignisse zu referenzieren und der Ansammlung von Individuen mit eigenen und teils widerstrebenden Interessen, die zu keinem Zeitpunkt ein Team darstellen, im Nachhinein eine Rolle darin zuzuweisen. Die eigentliche Action liegt hier wie so oft bei "BMB" in den teils wunderbar süffisanten Dialogen, die im Oneshot von Alex Maleev und im folgenden Fünfteiler von Jim Cheung zeichnerisch in Szene gesetzt werden.
Das beeinträchtigt die ursprünglichen Erzählungen in keiner Weise, sondern wertet sie ganz im Gegenteil auf – wer die entsprechenden Bände der beiden Marvel-Sammelreihen besitzt, kann die Erinnerung problemlos auffrischen und etwa zu
"Civil War",
"World War Hulk",
"The Infinity Gauntlet",
"(Marvel Super Heroes) Secret Wars" oder dem Debüt von
Marvel Boy greifen, um zu verfolgen, welche erzählerische Schraube hier wo angezogen wurde. Im Gegensatz zu manch unnötiger Story-Chirurgie, die Autoren über die Jahre durchgeführt haben, wirkt hier nichts erzwungen und das Lesen macht einfach Spaß – bis hin zum finalen Kapitel, das sich mit
"Secret Invasion" dem ersten großen Event von Bendis für das "House of Ideas" widmet.