William Boyd hat im Auftrag der Erben Flemings den neuesten Bond-Roman verfasst. Vorneweg: Keineswegs mit "In tödlicher Mission" oder mit "GoldenEye" vergleichbar, denn bei Boyds Interpretation des Spions "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" bleibt dramaturgisch viel Luft nach oben. Ein kleines "Quäntchen" Trost: Boyds Sprachstil wirkt weiterhin sehr melodiös, die Handlung ist – zumindest über manche Strecken des Romans – ähnlich fesselnd wie "Diamantenfieber". Doch am Ende des Tages sieht sich der Roman außerstande, den erhofften Lesefreude- und Spannungs-"Feuerball" zu entzünden.
Mit (vielen) "Liebesgrüßen" (wohl kaum aus Moskau) von William Boyd: Nach "Solo" werden selbst Hardcore-Bond-Fans angesichts der Neuinterpretation im besten Fall den Kopf schütteln. Exemplarisch: Statt einem für das Agentenmilieu à la Fleming als glaubwürdig betrachtete professionelle Härte im Umgang mit Gegnern gemäß dem Motto "Leben und Sterben lassen", werden Kontrahenten, die "im Angesicht des Todes" in Flemings Romanverlagen und den Filmen meist ausgeschaltet werden, bei Boyd zumeist lediglich betäubt.
Dieser Änderung im Vergleich zum Original (keine "Lizenz zum Töten"?) wird nicht begründet und man fühlt sich als Leser fallen gelassen, ein literarischer "Skyfall". Und warum verharrt Boyds Bond-Neuauflage so lange in der Midlife Crisis? Warum wird Boyds Bond als Voyeur, Dieb (eine Anlehnung an "Die Welt ist nicht genug") sowie als nicht sehr einfallsreicher Lügner inszeniert?
Boyds Bond ist ein Zweifler, ein Zauderer, welcher auf der Habenseite zwar wie in "Casino Royale" charakterliche Ecken und Kanten zeigen darf; Boyd unterstreicht jedoch zu sehr dessen Rolle als notorischer Einzelgänger, welcher mit einem Erinnerungstrauma aus dem Zweiten Weltkrieg kämpft. Während in "James Bond jagt Dr. No" die Feindbilder des Kalten Kriegs dominieren und die Fronten relativ klar abgesteckt sind, werden in "Solo" die charakterlichen Schwächen der vorliegenden Boyd'schen Bond-Interpretation mit den komplexen und teils sehr undurchsichtigen Verflechtungen einer "globalisierten" und allseits "vernetzen" Welt veranschaulicht.
Fazit: Die Doppel-Null ist für Boyd die Inkarnation einer Agenten-Weichzeichnung – um einen weiteren deutschen Verleihtitel einer Bond-Verfilmung zu zitieren, als "Der Spion, der sich (nicht) "liebte". Bond-Fans, welche sich eine glaubwürdige Neueinbettung von Ian Flemings geborene Spionage-Universums erwartet hätten, erhalten den Boyd'schen "Gold"-Mittel-"Finger" serviert.
# # # Karl H. Stingeder # # #