Endlich gibt es einen Einsatz für Lockwood & Co., um sich einen Namen zu machen. Doch der Auftrag läuft komplett aus dem Ruder und die Agentur steht vor dem Aus.
Das Leben in Großbritannien hat sich verändert. Seit mittlerweile über fünf Jahrzehnten wird das britische Königreich von Gespenstern, Geistern und Erscheinungen aller Art heimgesucht. Da die übersinnlichen Phänomene keineswegs friedlicher Natur und insbesondere in der Nacht aktiv sind, gibt es Ausgangssperren. Die Menschen verlassen ihre Wohnungen nur in absoluten Notfällen. Die Regierung versucht alles, um der Lage Herr zu werden. Im ganzen Land haben sich Agenturen gegründet, die den Kampf gegen die Geisterplage aufnehmen. Ihre Mitarbeiter sind zu großem Teil Kinder und Jugendliche, denn sie sind besonders empfänglich für übersinnliche Ereignisse aller Art. Immer wieder kommen dabei Kinder zu schaden oder sterben sogar bei der Ausübung ihrer Pflicht.
Eine der kleinsten Agenturen ist Lockwood & Co. Sie besteht nur aus drei Personen und verfügt, im Gegensatz zu vielen großen Unternehmen, über keine erwachsenen Berater. Ein Umstand, der vielen Konkurrenten und Behörden ein Dorn im Auge ist. Nach einem fehlgeschlagenen Einsatz kämpft die Agentur ums Überleben. Die Reputation ist dahin und innerhalb eines Monats muss eine gewaltige Summe an Schadensersatz geleistet werden. Dann wendet sich wie aus dem Nichts eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des Königreichs an Lockwood & Co. Sie bittet das kleine Team um Hilfe in einem besonders delikaten Fall. In der Vergangenheit gab es in dieser Angelegenheit bereits einige Todesopfer zu beklagen. Doch Lockwood und seine Angestellten haben keine andere Wahl als den Auftrag anzunehmen, wenn die Agentur fortbestehen soll.
Jonathan Stroud ist kein Unbekannter, schließlich konnte er mit seiner Romanreihe über den Dschinn Bartimäus bereits ein großes Publikum begeistern. Nun kehrt er mit dem Auftakt einer neuen Reihe zurück, die sich einem der klassischen Themen der Schauerliteratur zuwendet, Geistern, Gespenstern und sonstigen übersinnlichen Phänomenen. Der eine oder andere wird sich jetzt gähnend in seinem Sessel zurücklehnen und sich fragen, wen ein derart altbackenes Thema noch hinter dem Ofen hervorlocken soll. All jenen sei gesagt, dass es Stroud gelingt, aus einem ausgelaugten Acker wie dem Gespensterroman ein blühendes Feld neuer Ideen und Impulse zu kreiern. Ausgangspunkt dafür ist, das Altbekannte nicht vollkommen zu verändern oder gänzlich verschwinden zu lassen, sondern in Nuancen zu verfremden und mit Komponenten anderer Genres zu kombinieren.
Hoch ist der Anteil an Krimielementen, die in die Handlung verflochten werden, dies geschieht auf eine äußerst nachvollziehbare Art, schließlich muss geklärt werden, was der Auslöser für einen Spuk oder eine Erscheinung ist. Dass dabei Dinge ans Tageslicht gelangen, die auch die Lebenden lieber unentdeckt gelassen hätten, versteht sich von selbst. Dazu streut der Autor einige heitere und unbeschwerte Episoden in die Geschichte ein, um die düstere Grundstimmung aufzulockern. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die Arbeit für eine Agentur nicht ungefährlich ist und nicht selten das Leben kostet. Insbesondere wenn Lucy, eine der angestellten Lockwoods, aus ihrem früheren Leben berichtet. Lucy ist es auch, aus deren Sicht die Ereignisse rund um "Die seufzende Wendeltreppe" dem Leser geschildert werden. Sie ist auch der einzige Charakter, über deren Innenleben wir bei der Lektüre ein wenig mehr erfahren. Die Sorgen und Ängste und Hintergründe der anderen Figuren bleiben der Leserschaft zumindest beim Auftakt der Reihe noch verschlossen.
Der Schreibstil Strouds ist flüssig und klar und dürfte auch für Menschen die eher selten ein Buch zur Hand nehmen, zu bewältigen sein. Schon nach wenigen Seiten wird klar, dass der Autor genau weiß, wo die Reise hingehen soll, und sich nie in Ausschweifungen oder Nebenschauplätzen verliert. "Die Seufzende Wendeltreppe" ist spannend und mitreißend verfasst und schafft es mit einer überraschenden Lässigkeit, einem vermeintlich ausgereizten Themenfeld neue Impulse zu vermitteln. Weitab von vorherrschenden Trends erzählt Jonathan Stroud seine ganz eigene Geschichte und verzichtet dabei auf wohltuende Art auf unselige Gestalten wie liebeskranke Vampire und plüschige Werwölfe.
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Publisher: cbj