Erneut hat ein legendärer Schatz das Interesse Cortos geweckt und auch diesmal legt die Kolonialpolitik seiner Suche Steine in den Weg.
1967 ließ Hugo Pratt, seines Zeichens der Doyen des Abenteuer-Comics und Romancier der Neunten Kunst, seinen rastlosen Seemann das erste Mal Druckerschwärze schnuppern. Um das große Jubiläum des Debüts nicht zu verpassen, hat Schreiber & Leser noch rechtzeitig vor Jahresende den zweiten, im spanischen Original bereits 2016 erschienenen Band der kreativen Nachfolger Juan Díaz Canales und Rubén Pellejero herausgebracht. "Äquatoria" trägt sich anno 1911 zu und ist somit in der fiktiven Biografie des sympathischen Protagonisten nach "Abenteuer einer Jugend" einer der frühesten geschilderten Episoden.
Zusammen mit seiner Freundin Aida Treat, die Reportagen für den "National Geographic" verfasst, macht sich Corto von Venedig auf die Reise nach Alexandria, um den magischen Spiegel eines sagenumwobenen christlichen Priesterkönigs zu finden. Die Hinweise darauf sind eher magerer Natur, was allerdings kein Hindernis dafür ist, das Wagnis einzugehen und auch dieses Mal ins Minenfeld kolonialer politischer Konflikte zu geraten. In Britisch-Ostafrika ist ein übereifriger Kommandeur Seiner Majestät drauf und dran, ein Blutvergießen unter den Einheimischen anzurichten, als Corto und sein weibliche Begleitung auf den Plan treten.
Wie Szenarist Juan Díaz Canales schon in seiner Einleitung ankündigt, stehen diesmal starke Frauen im Vordergrund, und die stärkste von ihnen muss kein einziges Wort sprechen, um gegen das Patriarchat aufzubegehren, das hier hauptsächlich destruktiv agiert. Es reicht eine simple Geste von Corto, nämlich ihr seine Jacke zu geben, um ein symbolträchtiges Bild zu schaffen – das hätte Hugo Pratt sicher gefallen, denn sein wunderbar poetischer, nachdenklicher Stil findet erneut eine von bloßem Kopistentum weit entfernte Fortführung. Angereichert mit prominenten Gästen wie Winston Churchill und prächtigem Artwork von Rubén Pellejero ein weiteres Freudenfest für Corto-Fans!