Dass klassische Erzählungen nicht immer angestaubt und abgedroschen erzählt werden müssen, beweisen die Neuinterpretationen der Grimmschen Märchen in Panelform immer wieder aufs Neue.
Im sechsten Band muss zuerst ein alter Mann mit seiner Einsamkeit klarkommen, schafft das aber nicht so ganz. Kein Grund zur Sorge, ist er doch begnadeter Schnitzer und versucht seine soziale Isolation mittels handgemachter Holzpuppen zu kompensieren. Doch der Tischlermeister erwischt ein gar böses Stückchen Holz. Ist die daraus gefertigte und zu aller Überraschung zum Leben erwachte Puppe anfangs ein Segen, offenbart sich schnell ein dunkles Geheimnis und die daraus resultierenden Folgen sind alles andere als von Liebe bestimmt.
Ebenfalls um Liebe geht es in der Neuinterpretation von Dorian Grays Geschichte, der diesmal jedoch ein Rockstar ist und sich der Macht, die einem gewissen Gemälde innewohnt, nicht bewusst. Erst als mit den Jahren alle Freunde und Geliebten um ihn herum sterben, wird ihm klar, dass etwas faul ist, und er beginnt erst mittels Erleuchtung durch die mysteriöse Belinda zu erkennen, was Liebe anrichten kann.
Damit nicht genug wird auch die Geschichte des hässlichen Entleins zum Abschluss gebracht, der gestiefelte Kater erfährt eine Neubelebung und der Leser erkennt in der Comic-Fassung von "Die drei Schlangenblätter", dass Tote einfach nicht dafür gemacht sind, wieder aufzustehen und zu lieben. Autor Joe Brusha und Zeichner Ralph Tedesco bauen das düstere Märchenuniversum gekonnt aus, und trotz der klassischen Thematik wird modern interpretiert und ein erfrischender Zugang zu den allseits bekannten Geschichten geboten. Ob nun Gebrüder Grimm oder Oscar Wilde, da darf man nicht so genau sein, denn was zählt ist die Einbindung in die neue Märchenwelt, und die gefällt auf ganzer Linie.