In Afrika prallen Religion, Kolonialismus und Freiheitskampf aufeinander – und ein gewisser Seemann findet sich wieder einmal zwischen den Fronten.
Ebenso wie für den
ersten Band steuerte Umberto Eco auch für "Die Äthiopier" ein fachkundiges Vorwort bei, auch wenn er in den 1979 entstandenen Zeilen einräumte, er hätte "lieber über die Abenteuer in der Südsee, in Irland, Venedig oder Brasilien geschrieben." Ohne die afrikanischen Episoden von Corto Maltese schmähen zu wollen, lieferte er auch den psychologisch begründeten Grund dafür: Die problematische Vergangenheit Italiens, genauer gesagt des faschistischen Regimes, in der Region. Für Hugo Pratt selbst stellen die im Jahr 1918 angesiedelten Geschichten auch eine Auseinandersetzung mit seiner eigenen Biografie dar, schließlich lebte er von 1937-1943 im heutigen Äthiopien.
Zusammen mit seinem neuesten Bekannten Cush, einem sowohl kriegerischen Nomaden als auch frommen Muslim, beteiligt sich Corto Maltese zunächst am Versuch, einen von der türkischen Armee gefangengehaltenen Prinzen zu befreien, bevor er in den Angriff der Kämpfer eines rebellischen Mullahs auf ein britisches Fort verwickelt wird. Doch nicht nur die reichen und mitunter gefährlichen Mythen am Horn von Afrika, sondern auch handfeste materielle Interessen, die gerne auch unter dem Deckmantel von Religion und Frömmigkeit versteckt sind, ziehen den abenteuerlustigen Mann mit der Schirmmütze in ihren Bann und teils auf eine von zwei miteinander verfeindeten Seiten.
"Die Äthiopier" lässt nicht nur zwei Charaktere aus Hugo Pratts "Ann und Dan" und "Die Wüstenskorpione" auftauchen, sondern greift weiters ein Element aus
Cortos Erlebnissen in Irland auf. Ebenso wie dort spielen auch hier Zauberei und Mysterien eine wesentliche Rolle, wobei ausgerechnet der gefallene Engel Shamael inmitten all des religiösen Eiferns nicht nur für den (je nach Dialogpartner) "gottlosen" oder gar "ungläubigen Hund" Corto die besten Argumente zu haben scheint. Und schließlich lernen wir, dass die Geschichte von Romeo und Julia nicht immer tragisch enden muss, auch wenn sie mit Waffenhandel und Entführung zu tun hat. Großes, zeitloses Abenteuerkino in Panelform.